Dortmunder Zick-Zack-Brücke kommt nun doch
Bei der Sanierung der Grotenburg verweigert der Bund die Fördermittel
Musterprozess zu den Abwassergebühren brachte Erfolg
Seit vielen Jahren kritisiert der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen (BdSt NRW) die Praxis etlicher nordrhein-westfälischer Städte und Gemeinden, bei der kalkulatorischen Verzinsung auf das gebundene Kapital realitätsfremde Zinssätze anzusetzen. Im Jahr 2017 lag die Spanne der Zinssätze zwischen zwei und sieben Prozent. Für das Jahr 2022 konnte der BdSt NRW eine Spanne von einem bis sechs Prozent ermitteln. Etliche Kommunen haben sich an den maximal zulässigen Zinnssätzen orientiert, die von der früheren Rechtsprechung gebilligt wurden.
Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17.05.2022 (Az. 9 A 1019/20) zu den Abwasserbeseitigungsgebühren der Stadt Oer-Erkenschwick hat dies nun für rechtswidrig erklärt. Dort wurde im Jahr 2017 ein Zinssatz von 6,52 Prozent zugrunde gelegt. Nach dem Urteilsspruch wären in dem Fall 2,42 Prozent angemessen gewesen.
Durch eine überhöhte Verzinsung wurde im Gebührenhaushalt ein Überschuss erzielt. In Kombination mit einer kalkulatorischen Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten – anstelle niedrigerer Anschaffungs- oder Herstellungswerte - wurde der Überschuss noch einmal erhöht. Bei den Benutzungsgebühren sind in aller Regel aber ein Kostendeckungsgebot sowie ein Kostenüberschreitungsverbot vorgesehen. Die tatsächlich entstehenden Kosten sollen den Benutzern einer Leistung „in Rechnung“ gestellt werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Vielerorts wurden mit „dieser Methode“ also Jahr für Jahr Überschüsse in Millionenhöhe erzielt. Die eingenommenen Gebühren wurden - vergleichbar zu einer Steuer - als allgemeines Deckungsmittel im Haushalt verwendet. Auch die Gemeindeprüfungsanstalt NRW forderte in ihren lokalen Prüfungen regelmäßig, sämtliche Spielräume in der Gebührenberechnung auzuschöpfen.
Gut die Hälfte der Städte und Gemeinden in NRW müssen ihre Gebühren nun realitätsgerechter kalkulieren. Sie können nicht länger „versteckte Gewinne“ aus den Gebühren zur Haushaltssanierung verwenden.
Bemerkenswert an dem aktuellen Urteil ist, dass das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen seine bisherige Rechtsprechung ändert. In den Fokus der Rechtsprechung rückt als Kalkulationszweck die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung. Das ist auch ein Ausdruck von Wirtschaftlichkeit und Generationengerechtigkeit. Derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt, zahlt einen „ehrlichen Preis“.
Mit seiner Entscheidung lässt das Oberverwaltungsgericht den Kommunen bei der kalkulatorischen Abschreibung zwar weiterhin die Wahl zwischen den Anschaffungs-/Herstellungswerten oder den Wiederbeschaffungszeitwerten als Abschreibungsbasis. Werden dafür die Wiederbeschaffungszeitwerte gewählt, darf bei der kalkulatorischen Verzinsung – zumindest bezogen auf das Eigenkapital – jedoch nur noch eine Realverzinsung (Nominalzinssatz abzüglich Inflation) angesetzt werden. Nur bei einer kalkulatorischen Abschreibung nach Anschaffungswerten ist weiterhin eine kalkulatorische Nominalverzinsung des Eigen- und Fremdkapitals zulässig.
Weiterhin hat das Gericht entschieden, dass zur Ermittlung des Nominalzinssatzes nur noch auf den zehnjährigen (statt bisher den fünfzigjährigen) Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten abzustellen ist.
In zahlreichen Gemeindehaushalten bricht ein sicher geglaubter Ertragsposten weg. Eine Änderung der Rechtsprechung war in Fachkreisen seit Jahren erwartet worden. Und doch zeigt sich wieder einmal die Schwäche der öffentlichen Haushaltswirtschaft: Ein ehrbarer Kaufmann hätte für „ungewisse Verluste“ Rückstellungen gebildet. Stattdessen sind derzeit landauf und landab Wehklagen zu hören. In diesem Lichte ist auch zu sehen, dass das Oberverwaltungsgericht die Revision nicht zugelassen hat. Dagegen hat die Stadt Oer-Erkenschwick zwar Beschwerde eingelegt, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Nichtzulassungsbeschwerde ausschließlich dazu dient, Zeit zu gewinnen. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig. Und doch ist es ein voller Erfolg für alle Gebührenzahler! Die Städte und Gemeinden sind aufgerufen, zügig und soweit wie möglich rückwirkend ihre Gebührenkalkulationen zu überarbeiten. Denn sie wussten sehr genau, was sie taten.