Mitgliederversammlung 2022 in bewegten Zeiten
Energiekrise und Kostensteigerungen
Musterprozess: Investmentbesteuerung auf dem Prüfstand
Der Bund der Steuerzahler unterstützt einen Musterprozess, in dem es um die Änderungen bei der Investmentbesteuerung aus dem Jahr 2018 geht.
Im Streitfall handelt es sich um einen Aktienfonds mit einer Teilfreistellung nach dem Investmentsteuergesetz von 30 %. Im Juli 2015 erwarb der Kläger Anteile des Fonds zu einem Kaufpreis von 70.000 Euro. Die Anschaffungskosten pro Anteil betrugen 135,3844 Euro. Im Dezember 2018 veräußerte er Anteile an dem Fonds und erzielte einen Veräußerungspreis von abgerundet 52.824 Euro. Die tatsächlichen rechnerischen Anschaffungskosten für die Anteile betrugen 54.029 Euro. Ausweislich der Bankunterlagen betrugen die steuerlich anzusetzenden Anschaffungskosten, die bei einer Anschaffung vor dem 1. Januar 2018 auch „fiktive Anschaffungskosten“ gemäß der Übergangsregelung nach dem Investmentsteuergesetz enthalten, abgerundet 58.317 Euro. Der steuerlich anzusetzende Verlust lag demnach bei -5.493 Euro. Nach einer Teilfreistellung von 30 % verblieb ein zu berücksichtigender Verlust von 3.845 Euro. Zugleich wies die Erträgnisaufstellung einen „fiktiven Veräußerungsgewinn zum 31. Dezember 2017“ von 6.090 Euro aus. Jener Wert beruht auf der Übergangsregelung zum neuen Investmentsteuergesetz. Bei einer Zusammenschau des Gewinns und Verlustes ergibt sich ein rechnerischer Saldo von 2.245 Euro (6.090 Euro angesetzter fiktiver Veräußerungsgewinn ohne Teilfreistellung abzüglich 3.845 Euro nach Teilabzugsverbot abgezogener Veräußerungsverlust), der im Rahmen der Abgeltungs-
steuer zu einer Einkommensteuer von gerundet 561 Euro und einem Solidaritätszuschlag von gerundet 31 Euro, insgesamt also 592 Euro, führte.
Der rechnerische Saldo aus dem tatsächlichem Veräußerungspreis (in 2018: 52.824 Euro) sowie korrigierten steuerlichen Anschaffungskosten (52.227 Euro) (58.317 Euro fiktive Anschaffungskosten abzüglich 6.090 Euro fiktiver Veräußerungsgewinn) betrug 597 Euro. Damit ergibt sich eine Abgabenquote von 99,16 % (592 Euro Steuer / 597 Euro Gewinn). Beim Ansatz der tatsächlichen Anschaffungskosten (54.029 Euro) kam es sogar zu einem Verlust von 1.205 Euro. Damit wurde praktisch der gesamte rechnerische Veräußerungsgewinn abgeschöpft bzw. bei Ansatz tatsächlicher Anschaffungskosten eine Steuer auf einen erlittenen Verlust erhoben. Die Klage wurde mit einem Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit begründet. Außerdem werde in die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsgarantie unverhältnismäßig eingegriffen. Die Besteuerung sei nicht mit dem Gebot der Folgerichtigkeit vereinbar.
Das Finanzgericht Köln wies die Klage mit Urteil vom 8. September 2022 ab. Nach seiner Auffassung erfolgte die Besteuerung gesetzeskonform. Zudem hielt es Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes für nicht geboten. Der 15. Senat des Finanzgerichts gesteht dem Gesetzgeber den ihm bei einer Umgestaltung komplexer Regelungssysteme zustehenden weiten Gestaltungsspielraum zu. Das gewählte Typisierungsmodell führt zwar zu Abweichungen (zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen) gegenüber einer anderweitigen Gewinn- oder Verlustermittlung. Dies erscheint dem Senat aber insbesondere durch die gesetzgeberisch verfolgten Besteuerungs- und Vereinfachungszwecke gerechtfertigt.
Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. In der Zwischenzeit ist diese fristgerecht eingelegt worden.Hans-Ulrich Liebern, [email protected]
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 8. September 2022 (Az. 15 K 2594/20).
Revisionsaktenzeichen VIII R 15/22