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Landesregierung lässt 800.000 Euro für ein Familienfest springen
Die Landesregierung hat eingeladen: zum ersten Familien- und Kinderfest. Das fand im Juni in Bochum statt und kostete 800.000 Euro. Es sollte ein Dankeschön an die Familien sein, die während der Corona-Pandemie in den vergangenen Jahren viel geleistet haben. Jetzt soll regelmäßig gefeiert werden. Eine gute Idee?
Die Feier sollte ein Signal sein: „Die Landesregierung ist sich der vielen Herausforderungen, denen sich die Familien Tag für Tag stellen, sehr bewusst. Wir wissen dabei auch um die Verantwortung, die für die Landesregierung daraus erwächst. Daneben wollen wir Familien auch in herausfordernden Zeiten einen schönen Tag ermöglichen. Denn die steigenden Lebenshaltungskosten treffen alle Menschen in NRW – insbesondere aber Familien mit Kindern“, so der stellvertretende Pressesprecher des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.
Bereits im Koalitionsvertrag hat die Landesregierung festgehalten, dass der internationale Familientag als Aktionstag mit landesweiten Veranstaltungen sowie einem Familien- und Kinderfest begangen werden sollte. Das Familienministerium hatte zuvor mit zwei Pressemitteilungen, einer Pressekonferenz, Informationen auf verschiedenen Websites, Radiospots und Posts auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen auf das Fest aufmerksam gemacht.
Bilanz und Kosten:
Scheinbar erreichte die Einladung viele Familien nicht, aber rund 30.000 Besucher feierten mit. Das Programm war groß: Von der Forscherwerkstatt über Hüpfburgen, Blaulicht-Meile, Mitmachzirkus, Warrior-Parcours, einen verzauberten Märchenwald und Workshops für Jugendliche bis hin zu einem abwechslungsreichen Bühnenprogramm mit Kurz-Konzerten, Tanzaufführungen, Fußball-Artisten und vielem mehr. Rund 70 gemeinnützige Institutionen und Vereine waren mit Vorführungen, Mitmachaktionen und Workshops vertreten und konnten über ihre Arbeit informieren.
Wer kann schon etwas gegen ein Familienfest unter der Beteiligung gemeinnütziger Vereine sagen? Das weiß auch die Landesregierung, doch die schönen Bilder mit dem Ministerpräsidenten waren nicht kostenlos: Rund 800.000 Euro aus der Landeskasse sollte das Fest kosten. Es liegt im Auge des Betrachters einzuschätzen, ob das angemessen ist für 30.000 Besucher und ob die corona- und inflationsgebeutelten Seelen der gut 18 Millionen Nordrhein-Westfalen richtig gebauchpinselt wurden.
Turnus:
Die Corona-bedingte Wertschätzung soll in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Denn: „Um nicht zwei Großveranstaltungen des Landes in einem Jahr durchzuführen, wurde beschlossen, das Familien- und Kinderfest im turnusmäßigen Wechsel mit dem alle zwei Jahre stattfindenden NRW-Tag zu veranstalten.“ Also jährlich ein Fest. Der NRW-Tag findet seit 2006 in wechselnden Städten statt, bis 2012 jährlich. 2013 erklärte die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: „Natürlich kennt die Landesregierung die finanziellen Nöte vieler Kommunen, aber auch die Ressourcen des Landes sind begrenzt. Der zukünftige Zwei-Jahres-Rhythmus eröffnet uns die Möglichkeit, uns trotz eines auf das Jahr gerechnet insgesamt sogar sinkenden Etatansatzes für die NRW-Tage zukünftig stärker, nämlich mit bis zu 300.000 Euro, an den Ausgaben der Ausrichterkommunen zu beteiligen.“ 2020 wurde der Rhythmus auf Grund der Pandemie unterbrochen.
War in der Vergangenheit der NRW-Tag für die ausführenden Städte auch eine finanzielle Herausforderung, galt das für das Familien- und Kinderfest jetzt nicht; die Stadt Bochum musste nur die Personalkosten der Stadtbediensteten tragen, die an dem Fest teilgenommen haben. Es ist verständlich, dass die Stadt unter diesen Voraussetzungen gerne Gastgeber war und das Familienfest als vollen Erfolg wertet.
Fazit:
Die Landesregierung spricht an anderer Stelle gerne von der Notwendigkeit des Sparens. Von Prioritäten dagegen spricht sie nicht. Viele Familien erleben einen Mangel am Notwendigen. Wo sind attraktive Spielplätze, personell und materiell gut ausgestattete Kitas und Schulen, Schwimmbäder mit ausreichend Kursen für Seepferdchen-Anwärter, Freizeitangebote für Jugendliche... Die Liste ist lang und kann mit einer Feier nicht übertüncht werden. Ohnehin gilt es zu bedenken, dass sich von solchen Feiern stets nur ein kleiner Teil der Bürger angesprochen fühlt oder überhaupt kommen kann. Und wenn es schon sein muss: Ein gemeinsamer NRW-Kinder- und Familientag alle zwei Jahre oder einer pro Legislaturperiode wäre auch möglich. Am Ende zahlen immer alle Steuerzahler die Zeche.
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