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Interview mit Norbert Hackbusch (Linke): "Hamburg darf nicht wie Genua werden"
Interview mit Martin Bill (Grüne): "Wir müssen endlich die Spirale des Planens beenden"
Der BdSt im Gespräch mit Politikern und Entscheidungsträgern.
Seit Greta Thunberg erhält das Thema Klimawandel eine nie dagewesene Aufmerksamkeit. So ist es auch in Hamburg. Und da Klimapolitik auch immer Verkehrspolitik ist, haben wir uns mit Martin Bill, dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, auf ein Gespräch getroffen.
Herr Bill, bis vor einigen Jahren noch stand in der Verkehrspolitik insbesondere der Pkw im Fokus, mittlerweile jedoch fließen mehr und mehr finanzielle Mittel unter anderem in die Fahrradinfrastruktur. Ein Langzeittrend?
Ja. Fahrradfahren ist nicht nur eine klimafreundliche Art der Fortbewegung, sondern es bringt auch positive volkswirtschaftliche Effekte mit sich. So führt beispielsweise eine Verschiebung der Anteile am Verkehrsaufkommen weg von Auto- hin zu mehr Radfahrten zu weniger Kosten im Gesundheitssystem. Zudem benötigt man für Radverkehr in einer zunehmend enger besiedelten Stadt deutlich weniger Flächen als für Pkw-Verkehr.
Der rot-grüne Senat hat es sich zum Ziel gesetzt, den Anteil des Radverkehrs bis 2025 auf 25 Prozent zu erhöhen. Das ist für eine Großstadt ein sehr ambitioniertes Ziel.
Tendenziell sind wir bereits auf einem guten Weg. Noch 2002 wurden 47 Prozent der Wege mit dem Pkw zurückgelegt. Heute liegen wir bei nur noch 36 Prozent. Beim Fahrradverkehr haben wir es von 9 auf 15 Prozent geschafft. Und der ÖPNV hat immerhin von 19 auf 22 Prozent zugelegt. Aber da ist noch deutlich Luft nach oben. Langfristig zumindest wollen wir den Anteil des Autoverkehrs auf 20 Prozent senken.
Das wird die Stadt allerdings nur mit einem attraktiven ÖPNV schaffen. Doch gerade hier hakt es. Die neue U 5, die über Bramfeld und den Hauptbahnhof bis nach Osdorf führen soll, wird erst in circa 15 Jahren fertiggestellt sein und den Steuerzahler bis dahin im ungünstigsten Fall einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet haben.
Ja, teuer wird es in jedem Fall. Und machen wir uns nichts vor: Diese U 5 alleine wird nicht Hamburgs Verkehrsprobleme lösen, denn auch andere Linien werden irgendwann an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Deshalb werden wir in Zukunft für Tangentialverbindungen oder auch für die Anbindung kleinerer Umlandgemeinden an die Hansestadt andere Verkehrsmittel brauchen.
Sie meinen die Stadtbahn?
Genau. Dieses Verkehrsmittel wird auch weiterhin Teil unseres Instrumentenkastens sein, um den städtischen ÖPNV zukunftsfähig zu machen und um unsere Umweltziele zu erreichen.
Bislang wurden bereits rund 100 Mio. Euro nur für die Planungen zur U 5 ausgegeben. Hätte man dafür nicht auch schon einige Kilometer Stadtbahnnetz legen können?
Wir als Grüne wollen jetzt nicht wieder anfangen, die bereits fortgeschrittenen UBahn-Pläne für ein Stadtbahnkonzept über den Haufen zu werfen. Hätten die CDU im Jahr 2001 und die SPD im Jahr 2011 die Stadtbahnpläne nicht gestoppt, dann hätten wir einige Kapazitätsprobleme, vor denen wir heute stehen, nicht. Das muss man ganz klar sagen. Aber das ist Vergangenheit. Wir müssen endlich die Spirale des Planens beenden und ins Bauen kommen.
Sollten die Fahrgastzahlen im ÖPNV und im Fernverkehr wie erwartet in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren stark ansteigen, könnte das Nadelöhr Elbbrücken diese Entwicklung ausbremsen. Was sagen Sie zu der verbreiteten Idee, in Altona eine weitere unterirdische Elbquerung für Schienenverkehr in Kombination mit der benötigten Fernwärmeleitung zu schaffen?
Die Idee an sich ist nicht abwegig. Allerdings müssen wir Prioritäten setzen. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn haben wir bereits das Projekt S 4 auf die Beine gestellt. Zudem wollen wir die S 21 bis nach Kaltenkirchen verlängern und nach Elmshorn wollen wir ein drittes oder gar ein viertes Gleis legen. Auch muss in den kommenden Jahren gemeinsam mit der Deutschen Bahn nicht nur der Hauptbahnhof aufwändig umgebaut werden, sondern wir wollen auch den neuen Fernbahnhof Diebsteich bauen. Des Weiteren benötigen wir für die bereits bestehenden Strecken weitere Kapazitätssteigerungen, dafür muss die Bahn digitalisiert werden, um die ganzen Zugströme auch in Zukunft abwickeln zu können. Und um die Gelder der Deutschen Bahn und des Bundes stehen wir mit 15 weiteren Ländern in Konkurrenz. Wenn wir jetzt also sagen, wir hätten auch gerne noch zwei Milliarden Euro obendrauf für einen Tunnel, glaube ich, dass wir uns übernehmen.
Herr Bill, vielen Dank für das Gespräch.