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Prof. Dr. Brigitte Mandt, Präsidentin des Landesrechnungshofs NRW
© LRH NRW

Interview mit der Präsidentin des Landesrechnungshofs NRW

Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V. / Newsticker Nordrhein-Westfalen / Meldungen 24.10.2023, Andrea Defeld

Prof. Dr. Brigitte Mandt im Interview über den aktuellen Haushalt und ihre grundlegende Einschätzung zur Haushaltspolitik des Landes NRW. Sie ist seit 2012 Präsidentin des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen. Von 2010 bis 2012 war sie Staatssekretärin im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, von 2006 bis 2010 Leiterin der Justizverwaltung im Justizministerium von Rheinland-Pfalz.

Sie haben den Haushalt des Landes bei der Vorstellung des Jahresberichts „prekär“ genannt. Was heißt das für den aktuellen Haushalt und wie ist Ihre grundlegende Einschätzung zur Haushaltspolitik des Landes NRW?
Prof. Dr. Mandt: Die Haushaltspolitik des Landes war in den vergangenen Jahren wenig nachhaltig und vorausschauend. Trotz bester •nanzwirtschaftlicher Rahmenbedingungen wurden insbesondere die Schulden nicht zurückgeführt. Zugleich stiegen die Ausgaben des Landes immer weiter an – vor allem im Bereich der konsumtiven Transferausgaben. Verstärkt durch die Krisensituation der letzten Jahre ist ein Rekord-Schuldenstand von 164 Milliarden Euro (Ende 2022) entstanden. Wenn das Zinsniveau und damit auch die Zinslast weiter anwachsen und gleichzeitig die Steuereinnahmen konjunkturbedingt zurückgehen, werden die •nanziellen Spielräume des Landes immer kleiner. Insgesamt sind dies keine guten Voraussetzungen für die Bewältigung der großen Herausforderungen, vor denen das Land steht. Eine ehrliche Aufgaben- und Ausgabenkritik sowie eine darauf aufbauende Prioritätensetzung sind deshalb notwendiger denn je.

Sie decken jedes Jahr Beispiele von Misswirtschaft in den Landesbehörden auf. Welches konkrete Beispiel hat Sie am meisten geärgert?
Prof. Dr. Mandt: Zwar stellen wir in unserem aktuellen Jahresbericht 24 Beispiele aus dem Bereich der Landesregierung vor und zeigen auf, wie Verwaltungsaufgaben effektiver und effzienter wahrgenommen werden können. Damit möchten wir jedoch die Verwaltung nicht diskreditieren, sondern konstruktiv Veränderungen anstoßen und – gemeinsam mit den geprüften Stellen – Verwaltungshandeln optimieren. Wir sind also nicht nur „Prüfer“, sondern gerade unsere Beratung macht unsere Arbeit zum Erfolgsmodell. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass unsere Hinweise und Empfehlungen häu•g bereits in den laufenden Prüfungen umgesetzt werden. Das ist kein Ärgernis, sondern eher Grund zur Freude!

Welche eigenen Vorschläge haben Sie, um den Schuldenstand des Landes zu senken?
Prof. Dr. Mandt: Das Land benötigt dringend ein strukturiertes Konzept zur Haushaltskonsolidierung. Ein umfassendes Aufgaben-Screening ist dafür die Grundvoraussetzung. Dabei können wir uns keine blinden Flecken leisten – alle Aufgaben müssen auf den Prüfstand gestellt und anschließend priorisiert werden. Das heißt, dass nicht nur entschieden werden muss, welche Aufgaben weiter•finanziert werden sollen. Es muss vor allem entschieden werden, welche zwar wünschenswerten, aber nicht zwingend notwendigen Aufgaben nicht oder nicht mehr im bisherigen Umfang •nanziert werden sollen. Und diese Prioritätensetzung, die auf eine nachhaltige Absenkung des Ausgabenniveaus abzielt, ist am Ende eine Entscheidung, die nicht von uns, sondern von der Politik zu treffen ist.

Stichwort Subventionen: Der Bund der Steuerzahler vermisst seit Jahren die Subventionsberichte des Landes. Sie auch?
Prof. Dr. Mandt: Ob das im Bund und anderen Bundesländern etablierte Instrument eines Subventionsberichts dem Land als weiteres mögliches Instrument bei der  Haushaltskonsolidierung helfen könnte, wäre politisch zu entscheiden. Für uns als Landesrechnungshof kommt es bei Subventionen – wie auch bei Zuwendungen – entscheidend darauf an, in welchem Verhältnis die staatlichen Geldleistungen zu den gewünschten Wirkungen und Zielen stehen. Diese Erfolgskontrolle ist bereits als Teil der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung in der Landeshaushaltsordnung fest verankert und damit Leitmotiv für staatliches Handeln – und das auch unabhängig von Subventionsberichten. Selbstverständlich sind Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auch Gegenstand zahlreicher Prüfungen des Landesrechnungshofs und werden dies auch künftig sein.

Nicht nur das Land, sondern auch viele Kommunen haben zu viele Schulden. Würde der Verzicht auf Förderprogramme und eine bessere Finanzausstattung der Kommunen nicht zu Einsparungen auf beiden Ebenen führen?
Prof. Dr. Mandt: Der Landesrechnungshof ist nicht für die Prüfung der Kommunen zuständig. Zu Ursachen und Mechanismen der kommunalen Verschuldung verfügen wir daher über keine Prüfungserkenntnisse. Aber selbstverständlich umfasst das bereits angesprochene Aufgaben-Screening auch die zahlreichen Förderprogramme des Landes. Die zentrale Frage ist hier, ob das Land an der Erfüllung der Aufgabe durch Stellen außerhalb der Landesverwaltung ein erhebliches Interesse hat. Denn nur dann, wenn dieses Interesse ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann, dürfen Zuwendungen überhaupt veranschlagt werden.

Sie ermahnen das Land Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren, dennoch verhallen Ihre Forderungen wie Sie selbst sagen „im Nirwana“. In welcher Form würden Sie sich eine Stärkung des LRH wünschen?
Prof. Dr. Mandt: Die Rechnungshöfe werden gerne als „Ritter ohne Schwert“ bezeichnet, da sie – anders als Gerichte – keine Urteile sprechen und ihre Empfehlungen  nicht gegen den Willen der geprüften Stellen durchgesetzt werden können. Daher müssen wir als Landesrechnungshof mit der Kraft unserer Argumente überzeugen. Die vom Gesetzgeber festgelegte Rolle hat aber ohne Zweifel ihre Berechtigung im demokratischen Gefüge. Denn die Verantwortung für die Entscheidung, für was und in welchem Umfang das Land öffentliche Gelder ausgibt, tragen der Landtag und die Landesregierung. Wir können das „Geschehen auf dem Platz“ daher mit einer objektiven Distanz beobachten und vor allem gegenüber den Akteuren ununabhängig bewerten. Diese verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit ist elementarer Teil unserer Identität und verleiht unseren Feststellungen und Empfehlungen sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit besonderes Gewicht.

Wie wichtig finden Sie es, dass es in der Zivilgesellschaft Organisationen wie den Bund der Steuerzahler gibt, der sich wie der LRH für eine sparsame und generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik einsetzt?
Prof. Dr. Mandt: Durch unseren Aufgabendreiklang des Prüfens, Beratens und Berichtens unterstützen wir nicht nur die parlamentarische Kontrolle der öffentlichen Ausgaben, sondern schaffen auch Transparenz über unsere wesentlichen Arbeitsergebnisse. Vor allem die Beratungen unserer Jahresberichte im Ausschuss für Haushaltskontrolle und die dort gefassten Beschlüsse über einzuleitende Maßnahmen verleihen unseren Feststellungen und Empfehlungen die erforderliche Wirkung und geben uns damit eine „kraftvolle Stimme“, die auch in der Öffentlichkeit Gehör •findet. Unterstützende Stimmen sind dabei natürlich hilfreich.

Welchen Stellenwert haben die Hinweise der Bürger bei Ihnen? Welche Hinweise haben eine Chance geprüft zu werden?
Prof. Dr. Mandt: Der Landesrechnungshof nimmt Hinweise und Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern mit großem Interesse entgegen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Mitglieder des Landesrechnungshofs in richterlicher Unabhängigkeit über die Prüfungsplanung entscheiden. Und da auch die sachlichen und personellen Kapazitäten nicht unbegrenzt sind, müssen Prüfungsschwerpunkte gesetzt werden. Ob externe Hinweise im Rahmen der Arbeitsplanung berücksichtigt werden, wird daher im Einzelfall entschieden. Wenn Ihr Interesse für den Landesrechnungshof geweckt wurde oder Sie mehr über den typischen Ablauf eines Prüfungsverfahrens wissen möchten, werfen Sie gerne einen Blick auf unsere Internetseite.

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Der Landesrechnungshof NRW

Der Landesrechnungshof NRW prüft die Finanzlage, das Vermögen und die Schulden des Landes Nordrhein-Westfalen. Er prüft u. a. die Staatskanzlei, die Ministerien sowie deren nachgeordneten Bereich, z. B. Schule, Polizei, Gerichtsbarkeit, Justizvollzug, Gesundheits- und Sozialwesen, Hochschulwesen, Wirtschaftsförderung, Digitalisierung, Personal- und Verkehrswesen, Umweltund Naturschutz, Landwirtschaft, Straßenbau und Hochbau des Landes. Dazu kommen die Transferausgaben des Landes wie Geldleistungen an Kommunen und die Bewilligung von Zuwendungen. Auch Sondervermögen (NRW-Rettungsschirm, Krisenbewältigung, Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW) sowie Landesbetriebe wie IT.NRW oder Straßen. NRW, der Rundfunk, Beteiligungen des Landes und die Universitätskliniken zählen zu den Stellen, die der Landesrechnungshof prüft.

Die Ergebnisse seiner Prüfung fasst der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht für den Landtag zusammen, den er auch der Landesregierung zuleitet und veröffentlicht. Damit schafft er die Grundlage für das parlamentarische Verfahren zur Entlastung der Landesregierung. Gleichzeitig macht er für die Bürgerinnen und Bürger transparent, was mit ihren Steuern und sonstigen Abgaben geschieht. Mit seinen jährlichen Ergebnisberichten informiert der Landesrechnungshof darüber, was sich aus seinen früheren Vorschlägen und Empfehlungen entwickelt hat.

Die Mitglieder des Landesrechnungshofs entscheiden in richterlicher Unabhängigkeit, was und wie sie prüfen. Die geprüften Stellen erhalten eine Prüfungsmitteilung, die den zuvor ermittelten Sachverhalt bewertet, Verstöße aufzeigt und Verbesserungen emp•ehlt. Dazu nimmt die geprüfte Stelle dann Stellung. Der Landesrechnungshof erwidert die Stellungnahme, der Diskussionsprozess kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Das Prüfungsverfahren endet, wenn bder Landesrechnungshof dies schriftlich mitteilt.

www.lrh.nrw.de

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