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„Großer Erfolg: Der Staat darf nicht doppelt zugreifen!“
BFH-Urteile zur Rentenbesteuerung: BdSt-Präsident Reiner Holznagel im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse
Wie ordnen Sie die Urteile des Bundesfinanzhofs zur Doppelbesteuerung von Renten ein?
Holznagel: Das ist ein großer Erfolg für die Steuerzahler: Der Staat darf nicht doppelt zugreifen! Das heißt: Wurden Rentenversicherungsbeiträge aus bereits versteuertem Einkommen gezahlt, darf die Rente nicht erneut besteuert werden. Das aktuell geltende System bekommt diese Abgrenzung jedoch nicht sauber hin – deshalb können schon heute Senioren im Einzelfall betroffen sein. Zukunftsweisend sind die Urteile aber für künftige Rentnergenerationen, also die heute Berufstätigen.
Was bedeutet der Richterspruch für die mehr als 140.000 Rentnerinnen und Rentnern, die aus Doppelbesteuerungsgründen Einsprüche gegen ihren Steuerbescheid eingelegt haben?
Holznagel: Das Bundesfinanzministerium hat bereits angekündigt, die Urteile umzusetzen und auf die laufenden Einsprüche anzuwenden. Wie das konkret passiert, ist noch offen. Allerdings sind nach der Rechenformel, die in den aktuellen BFH-Urteilen aufgestellt ist, nicht alle Senioren von einer Doppelbesteuerung betroffen. Wie gesagt: Die Gerichtsentscheidungen betreffen vor allem künftige Rentner. Aber: Wer aber erst kürzlich in Rente gegangen ist, selbstständig war und daher keine steuerfreien Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung erhalten hatte, männlich und unverheiratet ist, der ist eventuell schon heute von der Doppelbesteuerung betroffen. Das muss jeweils im Einzelfall geprüft werden.
Sehen Sie einen generellen Änderungsbedarf bei der Rentenbesteuerung in Deutschland? Wenn ja, in welche Richtung?
Holznagel: Der Gesetzgeber muss jetzt auf das Urteil reagieren – dazu sind Korrekturen nötig. Allerdings hat der Bundesfinanzhof auch klargemacht, dass er keine Zweifel an der sogenannten nachgelagerten Besteuerung hat. Danach können Rentenversicherungsbeiträge während des Berufslebens steuerlich abgesetzt werden, im Gegenzug muss dann die Rente versteuert werden. Lediglich die laufende Übergangsregelung von 2005 bis 2040 wurde vom Gericht kritisiert.
Handelt es sich bei den Unklarheiten, die zu den vielen Einsprüchen führen, um handwerkliche Fehler im Gesetz oder versucht der Fiskus gezielt, Unschärfen für höhere Steuereinnahmen zu nutzen?
Holznagel: Die Doppelbesteuerung bei Renten wurde seit langem diskutiert – schon während des Gesetzgebungsverfahrens und auch danach gab es Streit. Das bleibt der Öffentlichkeit natürlich nicht verborgen, zumal auch sehr prominente Personen, wie Bert Rürup, der damalige Vorsitzende der Sachverständigenkommission, oder Herbert Rische, der ehemalige Präsident der Deutschen Rentenversicherung, darauf hinwiesen. Es ist daher verständlich, dass viele Senioren vorsorglich Einspruch eingelegt haben.
Sollten diese Klagefälle nicht Anlass sein, in Wahlkampfzeiten den Ruf nach Steuervereinfachung
wiederzubeleben?
Holznagel: In der Tat hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Urteile gleich zum Anlass genommen, um eine Steuerreform nach der Bundestagswahl in Aussicht zu stellen – allerdings hätte er in den zurückliegenden Jahren als Finanzminister schon längst etwas für die Steuerzahler tun müssen. Seine Reaktion scheint also eher in die Kategorie Wahlkampfmanöver zu fallen. Auch ohne die Urteile zur Rentenbesteuerung wäre aus meiner Sicht eine Steuerreform erforderlich: Ich denke hier zum Beispiel an die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle Bürger, Sparer und Betriebe.
Was bedeutet das Urteil für die Rentnerinnen und Rentner von heute, was für künftige Rentner?
Holznagel: Derzeit werden nur einige Senioren von einer Doppelbesteuerung tatsächlich betroffen sein. Wenn sie dies in ihrem individuellen Fall nachweisen können, gibt es Geld zurück. Für künftige Rentnergenerationen bleibt aber gegebenenfalls etwas mehr Geld im Portemonnaie, entweder weil sie mehr Beiträge steuerlich absetzen können oder weil ihre Rente weniger stark besteuert wird als aktuell im Gesetz vorgesehen.
Wann und wie sollte der Gesetzgeber jetzt handeln?
Holznagel: Realistisch ist, dass sich erst die nächste Bundesregierung mit dem Thema befassen wird. Dann sollten die Rentenversicherungsbeiträge steuerlich direkt besser absetzbar sein und die Übergangsphase nicht schon 2040, sondern erst 2070 enden. Zudem sollte man darüber diskutieren, Rentenerhöhungen nicht voll zu versteuern!
Das Interview führte Gernot Heller