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BdSt-Präsident Reiner Holznagel
© BdSt via Annette Koroll

„Diskussion um noch mehr Schulden ist völlig falsch!“

Top News 18.09.2025

BdSt-Präsident im Interview mit der HNA

Herr Holznagel, haben Sie auf dem Weg nach Kassel die Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag verfolgt?

Ein bisschen, klar. Man schaut natürlich, was über den Ticker läuft und was die Medien berichten.

Finanzminister Lars Klingbeil hat gesagt: „Wir investieren, wir reformieren und wir konsolidieren.“ Das hört sich doch eigentlich ganz gut an, oder?

Keine Frage, das hört sich gut an. Ist aber leider nicht die Wahrheit.

Was ist die Wahrheit?

Wir sehen, dass die Bundesregierung einen schwierigen Kurs fährt. Wir haben Sondierungen und Koalitionsverhandlungen gehabt, die dazu führten, dass noch der letzte Bundestag die Schuldenbremse geschliffen hat und ein weiteres schuldenfinanziertes XXL-Sondervermögen beschlossen worden ist. Deshalb hat die aktuelle Bundesregierung auch so viel Geld zur Verfügung wie keine andere Bundesregierung je zuvor. Trotzdem kommt die Regierung nicht mit dem Geld zurecht. Das ist das eine Problem.

Und was wäre das andere Problem?

Das andere Problem ist, dass ein Teil der zusätzlichen Schulden eben nicht für Investitionen bereitsteht – und schon gar nicht für zusätzliche Investitionen. Stattdessen wird schlicht und ergreifend verkonsumiert. Die Mütterrente ist ein gutes Beispiel dafür. Andere werden folgen. Deswegen tritt das, was Lars Klingbeil postuliert, nicht ein.

Investitionen in Infrastruktur und in Digitalisierung an sich sind doch aber zwingend, oder?

Wir brauchen in diesem Land tatsächlich Investitionen, gar keine Frage. Aber die sind auch möglich, wenn wir im Kernhaushalt sparen und nicht auf diese Verschuldungsorgie setzen. Wir müssen also bei den Ausgaben ansetzen. Der Ansatz der Bundesregierung, in Deutschlands Infrastruktur zu investieren, wird in der Haushaltsrealität zunehmend unterwandert. Stattdessen werden andere Projekte finanziert. Der Eigenkonsum des Staates steigt, die Subventionen des Staates steigen, die Sozialtransfers des Staates steigen – dementsprechend sehe ich nicht das Ziel erreicht, das diese Bundesregierung eigentlich verfolgen will.

Sie haben auch schon von einer „Ausgabenwut“ gesprochen. Woran machen Sie die fest?

Der Kernhaushalt steigt kontinuierlich. Seit Corona ist kein Bundeshaushalt geringer ausgefallen als der vorherige. Er ist immer überproportional gewachsen. Das heißt: Die Inflation wurde mehr als wettgemacht. Wenn wir ins Detail gehen, sehen wir, dass der Verwaltungsapparat des Bundes immer mehr Steuergeld für sich selbst beansprucht. Die Personalkosten steigen, wir haben so viele Angestellte und Beamte auf Bundesebene wie noch nie. Die Bundesregierung geht als schlechtes Beispiel voran: Wir haben eine der größten Regierungen aller Zeiten, wir haben so viele parlamentarische Staatssekretäre wie noch nie, wir haben so viele Minister wie noch nie. Friedrich Merz hat zwar die Hälfte der Bundesbeauftragten abgeschafft, aber das waren die, die am wenigsten gekostet haben. Es gab also viel Getöse, ohne dass entsprechend gehandelt wurde.

Wieso fällt es den Deutschen so schwer, Bürokratie abzubauen und damit dafür zu sorgen, dass weniger Personal benötigt wird?

Vorweg: Allgemein ist Bürokratie genauso schlecht wie gut. Bürokratie ist für uns ein Garant für rechtstaatliches Handeln, für Rechtssicherheit, für Ordnung. Deswegen sollte man Bürokratie nicht per se ablehnen. Was wir aber in den letzten Jahren sehen: Neben den bürokratischen Regeln nehmen die Berichtspflichten extrem zu. Unternehmen müssen viel mehr dokumentieren, berichten, sich rechtfertigen und Rahmenbedingungen einhalten, die für sie fast irrelevant sind. Da muss man ran. Ich frage mich auch: Wer liest das alles – Stichwort: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass man mit diesen Maßnahmen auch Politik gestalten will: mehr Umweltschutz, mehr Menschenrechte, mehr Nachhaltigkeit. Ob das allerdings auf diese Art und Weise gelingt, stelle ich in Frage. Wir müssen jetzt beginnen, Eigenverantwortung zu stärken. Weniger Bürokratie heißt Eigenverantwortung.

Ihr Vortrag ist überschrieben mit dem Titel: „Steuergeld mit Verantwortung – für mehr Transparenz und Effizienz im Staat“. Wie ist das zu erreichen?

Thema Schuldenbremse: Ich stelle fest, dass wir in den vergangenen Monaten und Jahren die Schuldenbremse als Grund allen Übels ausgemacht haben. Wenn man sich aber die Finanzlage genau anschaut, dann ist es so, dass wir seit 2019 so viele Staatsausgaben wie noch nie verzeichnen. Wir haben zudem so viele Schulden gemacht wie noch nie, und jetzt machen wir abermals ein Schuldenprogramm, das seinesgleichen sucht – trotz Rekordsteuereinnahmen von fast einer Billion Euro. Deshalb müssen wir die Frage stellen: Ist es das fehlende Geld, warum wir nicht investieren und nicht vorankommen? Oder haben wir andere Probleme?

Ihre Antwort darauf wird niemanden überraschen.

Ich sage: Wir haben andere Probleme. Wir haben einen verkorkstes Planungsrecht, wir haben zu hohe Umweltauflagen, wir sind auch ein Stück weit bequem geworden. Und wir müssen entschlossener Prioritäten setzen. Das alles ist in den letzten Jahren nicht erfolgt. Deswegen ist die Diskussion, noch mehr Schulden aufzunehmen, völlig falsch. Wir müssen den Sparstift ansetzen. Und wir müssen diesem Land etwas abverlangen. Da komme ich auf einen wichtigen Punkt. Wir alle wollen, dass Deutschland wehrfähiger wird, damit man in der geopolitischen Lage auch verteidigungsbereit ist und seinen Verpflichtungen in der Nato nachkommt. Aber wenn wir diese Kernaufgabe eines Staates fast ausschließlich über Verschuldung organisieren, dann haben wir nicht verstanden, was Resilienz bedeutet und fiskalische Stabilität.

Aber ist das nicht auch das, was Friedrich Merz immer betont: Wir müssen wieder leistungsfähiger werden?

Hier sind Sonntagsreden eine gewisse Motivation im Wahlkampf. Jetzt sind wir aber im Tun, und die Bundesregierung muss liefern. Ich habe das Gefühl, dass die Bundesregierung mit der Pinzette vorgeht, doch wir brauchen das große Besteck. Wir sind ein Staat, der mit seinem Steuersystem organisiert hat, dass sich mehr Leistung nicht lohnt. Deswegen sagen viele: Wieso soll ich mehr arbeiten, wenn über die Hälfte beim Finanzamt landet, wenn meine Krankenkassenbeiträge steigen und wenn meine Rente nicht sicher ist und wenn ich sehe, dass Steuergeld verschwendet wird. Wir brauchen also Steuerentlastungen – nicht nur bei der Körperschaftsteuer. Wir brauchen große Reformen.

Wenn es die aktuelle Regierung nicht hinbekommt, wie Sie das schildern, dann hieße das doch: Die Ränder würden bei der nächsten Wahl noch stärker werden. Werden die Probleme dann nicht noch größer?

Ich nehme wahr, dass die AfD zunehmend als Feigenblatt genutzt wird – für eine Politik, die nicht kommt, oder für eine Politik, die kommen sollte. Ich glaube, dass man die AfD als Oppositionskraft wahrnehmen muss – aber auch nicht mehr und auch nicht weniger. Die Regierung ist in Verantwortung. Und die Menschen, insbesondere in Ostdeutschland, wo ich auch herkomme, erwarten klare Entscheidungen. Die AfD gaukelt ihnen vor, dass sie eine klare Analyse durchführt, daraufhin eine klare Entscheidung trifft und diese auch umsetzt. Die Botschaft für die jetzige Regierung muss daher sein: klare Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, weniger zu streiten und beieinanderzustehen.

Wie hoffnungsvoll sind Sie, was diese Legislaturperiode angeht?

Ich nehme in letzter Zeit sehr wahr, dass wir eine gewisse Dissonanz haben zwischen dem, was in Berlin passiert, und dem, was das Land diskutiert. Ich merke, dass die Menschen und Betriebe viel weiter im Denken sind und viel weiter nach vorn blicken. Sie sind bereit für wesentlich entschlossenere Politik, während wir uns in Berlin über „Bullshit“-Äußerungen aufregen und keinem wehtun wollen. Das ist ein Tänzeln um die Probleme.

Die Fragen stellte Florian Hagemann

 

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