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Artikeldienst 07/2022
Mögliche Verfassungswidrigkeit der Abgeltungsteuer - Bundesverfassungsgericht muss jetzt entscheiden
Das Finanzgericht Niedersachsen hält die Vorschriften über die Abgeltungsteuer des Einkommensteuergesetzes mit dem Gleichsatz des Grundgesetzes für nicht vereinbar.
Die Abgeltungsteuer gibt es seit dem 1. Januar 2009. Mit ihr werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, z. B. Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne mit einem Einkommensteuersatz von 25 % versteuert, falls Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer gezahlt werden müssen, kommen diese zusätzlich dazu. „Liegt der persönliche Einkommensteuersatz unter 25%, kann die zu viel gezahlte Abgeltungsteuer vom Finanzamt zurückfordert werden‘‘, informiert Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler.
Das Finanzgericht Niedersachsen wies in einem konkreten Fall (Az. 7 K 120/21) daraufhin, dass die Anwendung der Abgeltungsteuer gegen die im Grundgesetz verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verstößt und daher verfassungswidrig ist. Die Abgeltungsteuer, so das Finanzgericht, führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerzahlern. Während die Bezieher von Kapitaleinkünften mit einem Sondersteuersatz von 25 % abgeltend belastet werden, unterliegen die übrigen Steuerzahler einem Steuersatz von bis zu 45 %. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Die Abgeltungsteuer sei weder zur Standortförderung des deutschen Finanzplatzes geeignet, noch führe sie zu einer wesentlichen Vereinfachung im Besteuerungsverfahren.
Geschaffen wurde die Abgeltungsteuer, um Deutschland als Finanzplatz attraktiver zu machen und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Es existierten damals keine Möglichkeiten, um die Besteuerung von Kapitaleinkünften, die in Deutschland Steuerpflichtige im Ausland erzielten, sicherzustellen. Die Verminderung des Steuersatzes auf 25 % sollte den Anlegern einen Anreiz geben, ihr Geld in Deutschland anzulegen und zu versteuern. Seit dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer jedoch haben sich die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert. Das Finanzgericht Niedersachsen ist daher der Auffassung, dass das Instrument der Abgeltungsteuer heute nicht mehr erforderlich ist, und hat in diesem Zuge dem Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Prüfung vorgelegt.
Verantwortlich:
Klaus Grieshaber
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