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Angst stoppt Bürokratieabbau
Interview mit Prof. Jörg Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum zum Bürokratieabbau. Prof. Dr. Jörg Bogumil hat seit 2005 einen Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt und Regionalpolitik
an der Ruhr-Universität Bochum inne. Er forscht seit über 30 Jahren zu Reformen in öffentlichen Verwaltungen.
Trotz Bemühungen von Seiten der Politik zum Bürokratieabbau steigen die Bürokratielasten Jahr für Jahr. Was sind für Sie die zentralen Gründe für diese Fehlentwicklung?
Prof. Dr. Jörg Bogumil: Die Gründe sind vielfältig. Zusammengefasst sind es eine immer stärkere Regelungsdichte, die einhergeht mit einer zunehmenden Kompliziertheit der Normen, sowie die von Absicherungs- und Zuständigkeitsdenken geprägte Verwaltungspraxis. Die Regelungsdichte resultiert in dem über die Jahre immer weiter erhöhten Anspruchsniveau an Verwaltungsleistungen, das übrigens maßgeblich von der Politik verantwortet wird und bei dem man Wünsche von Bürgern und Interessensgruppen aufgreift. Man verspricht den Bürgerinnen und Bürgern höchste Sicherheitsstandards (Beispiel: Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Brandschutz, Erdbebenschutz), hohe Umweltstandards, absolute Einzelfallgerechtigkeit (Beispiel: Ausnahmeregelungen), Abbau von Vollzugsdefiziten (Beispiel: umfangreiche Dokumentationspflichten, Belegvorlagepflichten), demokratische Partizipation (Beispiel: Anhörungsplicht in Planverfahren) und weitgehende Belastungsfreiheit (Beispiel: Schutz vor Baulärm etc.). Die Verwirklichung all dieser Versprechungen ist äußerst verwaltungsintensiv. Hinzu kommt, dass viele Regelungen zu kompliziert sind. Die Verwaltungsverfahren werden beim Bürokratieabbau meist unterschätzt. Die Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen beinhaltet oft einen beträchtlichen Interpretationsspielraum, da es viele unbestimmte Rechtsbegriffe gibt. In der Realität dominiert jedoch häufig ein übertriebenes Sicherheitsdenken und die Angst vor möglicher Kritik durch Rechnungshöfe und vor Aufhebung von Entscheidungen durch die Verwaltungsgerichte. Diese Angst ist in Deutschland
durch eine stark von Juristen dominierte Verwaltung und durch eine auf die Rechtsanwendung fixierte Verwaltungsausbildung besonders prägnant.
Wie muss der Bürokratieabbau auf Landesebene angegangen werden, damit er auch nachhaltig gelingt?
Bürokratieabbau muss auf allen Ebenen angegangen werden. Damit er erfolgreicher sein kann, muss er gut institutionalisiert sein, d.h. es muss klare Zuständigkeiten und Treiber geben. Am sinnvollsten ist auf Landesebene eine Struktur, die über die Staatskanzleien gesteuert wird, damit es überhaupt gelingt, die Blockaden der einzelner Ressorts zu überwinden. Hilfreich ist sicher auch ein Normenkontrollrat
auf Landesebene, wie z.B. in Baden-Württemberg. Zudem muss versucht werden, in allen Ministerien bestimmte Grundprinzipien des Bürokratieabbaus zu implementieren. Dazu gehört vor allem, dass die mit Regeln verbundenen Ziele (z.B. Einhaltung bestimmter Sicherheitsstandards, Reduzierung von Schadstoffen) mit weniger bürokratischen Lasten für Bürger, Unternehmen und Verwaltungn selbst umgesetzt werden. Bessere Regulierung meint hier unnötige Informations- und Erfüllungsaufwände abzuschaffen, mehr Pauschalierungen, Bagatellgrenzen, Stichtagsregelungen und Genehmigungsfiktionen einzuführen, die Möglichkeiten der Digitalisierung besser zu nutzen und alles zu unternehmen, um komplexe oder unnötige Verfahren möglichst zu vermeiden (wie z.B. Ersetzung der Belegvorlagepflicht durch die Belegvorhaltepflicht bei Steuererklärungen seit 2017). In NRW fehlt es an klaren Zuständigkeiten und Strukturen für Bürokratieabbau.
Bei der Förderbürokratie lässt sich eine ähnliche Entwicklung beobachten. Nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Kommunen in Nordrhein-Westfalen leiden unter der Bürokratie, die die Beantragung
von Fördergeldern mit sich bringt. Welche Möglichkeiten zum Bürokratieabbau hat die Landesregierung hier?
Prinzipiell bestehen zumindest bezogen auf die Förderprogramme des Landes nicht unerhebliche Möglichkeiten, Förderprogramme unbürokratischer zu gestalten. Prinzipiell geht es hier darum, Doppelförderungen zu vermeiden, den Beantragungs- und Nachweisaufwand zu reduzieren oder kurzfristige Förderzeiträume zu vermeiden. Dazu gibt es bereits viele Vorschläge, und die Landesregierung
ist im Moment dabei, sich einen Überblick über die bestehenden Förderprogramme zu verschaffen. Welche Maßnahmen dann beschlossen werden, scheint im Moment noch unklar zu sein.
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