Webinar zu Bürgerbeteiligung
Galeria-Rettung ohne Steuergeld (Teil 9 der BdSt-Serie)
Altschuldenprogramm löst Finanzprobleme der Kommunen nicht
Am höchsten ist die Verschuldung je Einwohner weiterhin in Siegburg (11.586 Euro), Mülheim an der Ruhr (9.747 Euro) und Oberhausen (9.454 Euro). Schuldenfrei aber ist keine Stadt oder Gemeinde mehr in Nordrhein-Westfalen.
Der wesentliche Grund für die flächendeckende Verschuldungin NRW liegt in dem mit zwei Milliarden Euro dotierten Landesprogramm „Gute Schule 2020“ zu Sanierung, Modernisierung und Ausbau der Schulinfrastruktur bei der NRW.Bank. Hier haben auch einst schuldenfreie Gemeinden zugegriffen: Das Land Nordrhein-Westfalen übernimmt die Tilgung der Kredite, die Schulden stehen aber in den Büchern der Kommunen. Wer kann dazu schon „nein“ sagen?
Ehemalige Leuchttürme verschwunden
Aber es liegt nicht nur an diesem Programm, denn einstige Vorzeigestädte und -gemeinden wie Raesfeld und Langenfeld haben schon vorher die Schuldenfreiheit aufgegeben. Raesfeld hatte vor 30 Jahren, im Juli 1993, eine Vorreiterrolle: Die Gemeinde tilgte ihre letzten Schulden. Dafür erhielt sie später vom damaligen Vorsitzenden des BdSt NRW, Dr. Karl Heinz Däke, ein neues Orteingangsschild mit dem Hinweis „Einzige schuldenfreie Kommune in NRW 1994“. Später kamen weitere Städte und Gemeinden wie Breckerfeld, Issum, Niederzier, Olfen, Reken, Roetgen oder Velen hinzu. Auch die Landeshauptstadt Düsseldorf war rechnerisch für einige Jahre schuldenfrei. Spektakulär war die Schuldenfreiheit in Langenfeld: Die Stadt hatte es 2008 vor allem dem eisernen Sparwillen und der Durchsetzungskraft des seinerzeitigen Bürgermeisters Magnus Staehler zu verdanken, dass sie schuldenfrei wurde. Dafür gab es ebenfalls ein neues Ortseingangsschild von Dr. Karl Heinz Däke. Ohne nostalgisch zu werden: Schade, dass es diese Leuchttürme nicht mehr gibt. Sie haben gezeigt, dass Schuldenfreiheit möglich ist, und konnten einer Zinswende gelassen entgegensehen.
Derzeitiger Schuldenberg
Von der Schuldenfreiheit sind die Kommunen in NRW derzeit weit entfernt. Insgesamt hat sich der Schuldenberg der Kommunen in NRW im vergangenen Jahr auf 60,1 Milliarden Euro aufgetürmt. Besonders die 19,5 Milliarden Euro Kassenkredite müssen Sorgen bereiten. Sie sind mit den privaten Dispos vergleichbar und ein Signal für zu hohe laufende Ausgaben der Kommunen. Derzeit belasten die stark gestiegenen Kreditzinsen die Haushalte zusätzlich. Städte und Gemeinden sehen kaum die Möglichkeit, sich aus dieser Verschuldungsspirale selbst zu befreien. Umso wichtiger, dass die Landesregierung endlich ein umfassendes und nachhaltiges Konzept zum Abbau der kommunalen Altschulden vorlegt. Das im Juni von der schwarz-grünen Koalition vorgestellte Altschuldenprogramm stieß auf viel Kritik, auch vom BdSt NRW. Das Land wollte sich mit dem Bund die Übernahme der Kassenkredite der Kommunen teilen. Aber es hatte sich weder mit dem Bund noch mit den Kommunen abgestimmt, obwohl beide Teil des Konzeptes waren.
Kommunen bekommen heute bereits einen Anteil an der Grunderwerbsteuer. Dieser Anteil sollte nun über einen Zeitraum von 40 Jahren für den Schuldendienst (Zins- und Tilgungsleistungen) eingesetzt werden. Die Landesregierung wollte somit quasi kein eigenes Geld zur Entschuldung der Kommunen aufwenden. Das Land hatte lediglich garantiert, jährlich 460 Millionen Euro für den Schuldendienst zu verwenden, unabhängig vom Steueraufkommen. Alle 429 Kreise, Städte und Gemeinden wären an der Entschuldung von 199 betroffenen Kommunen beteiligt worden.
Am 22. August hat das Landeskabinett auf die einhellige Kritik reagiert und den Einstieg in ein Altschuldenprogramm um ein Jahr verschoben. Die Entschuldung soll nun mit dem Jahr 2025 starten. Die schwarz-grüne Koalition sollte nun die Gespräche mit dem Bund und den Kommunen intensivieren und zeitnah ein Konzept vorlegen, welches deutliche Verbesserungen zum ursprünglich vorgelegten Altschuldenprogramm enthält.
Der BdSt NRW regt an:
Damit nicht alle Kommunen in den nächsten Jahrzehnten deutlich weniger Geld haben, sollten nur die hochverschuldeten Kommunen an der Entschuldung beteiligt werden. Finanziell solide aufgestellte Kommunen sollten im Ausgleich Investitionszuschüsse erhalten. Dafür muss die Landesregierung aber originäre Landesmittel zur Altschuldenlösung beitragen. Zusätzlich sollte der Tilgungszeitraum auf maximal 30 Jahre verkürzt werden, um die Zinsleistungen zu verringern. Zur Verhinderung eines erneuten Anwachsens von Schulden in der Zukunft, könnte beispielsweise der bis 1994 in NRW geltende Genehmigungsvorbehalt für Liquiditätskredite wieder eingeführt werden. Wenn die Landesregierung diese Grundsätze beachtet, kann die Entschuldung der Kommunen mit einem neuen Altschuldenprogramm innerhalb einer Generation gelingen. Die Kommunen würden so neue Spielräume für die dringend benötigten Investitionen erhalten.
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