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Radweg Grabbeallee

Bund der Steuerzahler Berlin e. V. / Meldungen 14.07.2021

Kleine Markierung – große Geheimniskrämerei

Ende April fiel dem Bund der Steuerzahler auf, dass ein erst vor ungefähr einem Jahr in Pankow eingerichteter Radweg fast vollständig verschwunden war. Da es sich keineswegs nur um einen temporären Pop-up-Radweg handelt, fragte der Bund der Steuerzahler nach den Kosten und danach, ob es sich um einen Regressfall handeln würde. Ein paar einfache Fragen zu einem winzigen Stück Radweg führten zu einer viel interessanteren Frage: Hat die Verwaltung die Planungshoheit an ein Unternehmen verloren?

Am 28. April 2021 fiel dem Bund der Steuerzahler auf, dass ein erst vor knapp einem Jahr auf der Grabbeallee in Niederschönhausen aufgemalter Radweg bereits fast vollständig abgefahren war. Aus beiden Richtungen vor der Kreuzung Tschaikowskistraße waren irgendwann im letzten Jahr auf der Fahrbahn mit einer Länge von jeweils ca. 70 Metern benutzungspflichtige Radwege eingerichtet worden, die man an dem Verkehrszeichen VZ 237 - dem „blauen Lolli“ - erkennen kann. Kaum noch sichtbar war jedoch die obligatorische durchgezogenen Linie. Da auf Radwegen das Parken grundsätzlich verboten ist, fehlen folgerichtig Parkverbotsschilder. Regelmäßig waren Autofahrer in die Falle getappt, die den nicht mehr erkennbaren Radweg auf der Fahrbahn übersehen hatten. Das Bußgeld für das Parken auf Radwegen kann immerhin bis zu 100 Euro plus einen Punkt in Flensburg betragen. Für die Radfahrer ist das Ausweichen auf die vielbefahrende Bundesstraße B96a zudem nicht ganz ungefährlich.

Da Radwege normalerweise in der Zuständigkeit des Bezirks liegen, wandte sich der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Berlin, Alexander Kraus, an den Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung von Pankow, Vollrad Kuhn (Bü90/Die Grünen). Wissen wollte der Bund der Steuerzahler, wann der Radweg in welcher Technik angelegt worden war, was das gekostet hat, wann mit einer Erneuerung zu rechnen wäre und ob die Kosten dem leistenden Unternehmen auferlegt werden können.

Der Stadtrat teilte dem Bund der Steuerzahler nach immerhin nur gut einer Woche die überraschende Information mit, dass der Radweg zur Lichtsignalanlage an dieser Kreuzung gehöre, 2020 von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hergestellt, dem Straßen- und Grünflächenamt Pankow aber noch nicht übergeben worden sei. Der Bund der Steuerzahler möge sich an die Abteilung „Verkehrsmanagement, Generalübernehmer“ bei der Senatsverwaltung wenden. Daraufhin bat der Bund der Steuerzahler das Bezirksamt – wie in seinem Antrag auf Aktenauskunft beantragt – im Falle der Unzuständigkeit den Antrag an die zuständige Stelle weiterzuleiten, wie es das Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG) aber ohnehin vorsieht.

Am 20. Mai 2021 erhielt der Bund der Steuerzahler eine E-Mail von der Senatsverwaltung mit der Empfehlung, dass der Bund der Steuerzahler sein Anliegen in eine „reguläre“ Bürgeranfrage umwandeln solle, da es sich um ein bauliches Ausführungsthema handele, das ggf. Aktenbestände seitens der Senatsverwaltung sowie seitens des Generalübernehmers für Lichtsignalanlagen (LSA) beträfe und die Akten möglicherweise nicht explizit die vom Bund der Steuerzahler aufgeworfenen Fragestellungen beantworten würden. Auf diese Weise sei gewährleistet, dass die gewünschten Informationen auch beantwortet werden könnten.

Daraufhin antwortete der Bund der Steuerzahler, dass er seinen IFG-Antrag bereits für eine "reguläre" Bürgeranfrage halte. Alternativ hätte der Bund der Steuerzahler auch noch ein presserechtliches Auskunftsrecht vorzuweisen, das ihm Gerichte als Herausgeber einer Mitgliederzeitschrift bereits mehrfach zugesprochen haben. Zudem gehe der Bund der Steuerzahler davon aus, dass die Senatsverwaltung im Rahmen der Wahrnehmung ihrer originären Bauherrenfunktion auch bei einer Delegation von Bauherrenaufgaben mit organisatorischem, rechtlichem, technischem bzw. wirtschaftlichem Charakter stets in der Lage sein müsse, die gestellten Fragen anhand von Akten im Bestand der Senatsverwaltung zu beantworten. Sollte dies nicht der Fall sein, hielte der Bund der Steuerzahler dies für einen Verstoß gegen die einschlägigen Richtlinien.

Sollte die Senatsverwaltung also keine Einblicke in die Planung und Durchführung von Maßnahmen ihres Generalunternehmers haben, sei auch dies eine interessante Information für den Bund der Steuerzahler. Falls die angefragten Informationen tatsächlich nicht aus den Akten der Senatsverwaltung zu beantworten seien, bat der Bund der Steuerzahler, die jeweilige Frage dann als presserechtliche Anfrage zu verstehen und zu recherchieren.

Am 22. Juni 2021 schrieb die Senatsverwaltung dann zurück, dass für Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung der Lichtsignalanlagen-Infrastruktur das Land Berlin die Alliander Stadtlicht GmbH als  Generalübernehmer gebunden habe. Der Generalübernehmer sei in diesem Zusammenhang für die Durchführung der baulichen Umsetzung alleine verantwortlich. Im Generalübernehmer-Vertrag seien dafür u.a. die allgemeinen und speziellen Vorgaben des Landes Berlin verankert sowie ein pauschales Abrechnungssystem für die Bestellung von LSA-Leistungen beim Generalübernehmer. Die Akten beschränkten sich somit auf die Abwicklung der LSA-Projekte im Rahmen des Generalübernehmer-Vertrages. Die Fragen des Bundes der Steuerzahler erforderten jedoch teilweise Detail-Nachfragen beim Generalübernehmer. Dies wäre kein Problem, da der Generalübernehmer-Vertrag der Senatsverwaltung ein umfassendes Informationsrecht einräume, jedoch handle es sich nicht um Akten, die IFG-relevant seien.

In derselben E-Mail bietet die Senatsverwaltung aber die Informationen an und listet haarklein auf, in welchen Akten und Unterlagen diese zu finden sind, ohne die Auskunft selbst jedoch zu erteilen. Stattdessen stellt die Senatsverwaltung für die Beantwortung eine Gebühr in Höhe von voraussichtlich 100 Euro in Aussicht. Man könne nicht nicht erkennen, inwieweit die Fragestellungen im Sinne der Gemeinnützigkeit des Bundes der Steuerzahler gemäß gültiger Rechtslage zu verstehen sei bzw. warum die Rechtfertigungsgründe für eine Gemeinnützigkeit des Vereins im Kontext Ihrer Anstrengungen zu Informationen für eine verkehrliche Angelegenheit eine Gebührenfreiheit begründen. Der Bund der Steuerzahler solle noch einmal die beanspruchte persönliche Gebührenfreiheit ergänzend begründen.

In seinen Anträgen auf Aktenauskunft beantragt der Bund der Steuerzahler grundsätzlich immer auch eine Gebührenbefreiung aufgrund seiner Gemeinnützigkeit, die die Berliner Verwaltungsgebührenordnung als Besonderheit vorsieht. Auf die nachgereichte Begründung des Bundes der Steuerzahler teilte die Senatsverwaltung daraufhin mit, dass die Ausführungen jetzt von ihrem zuständigen Rechtsbeistand geprüft werden, was sich jedoch aufgrund der anstehenden Urlaubszeit stark verzögern könne.

„Dass sich die Senatsverwaltung bei der Beantwortung meiner Fragen zu diesem winzigen Stück Fahrbahnmarkung so ziert, macht mich stutzig“, kommentierte der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Berlin, Alexander Kraus, das Verhalten der Verwaltung. „Die Verwaltung zahlt eine Pauschale und dafür wird dann die Fahrbahnmarkierung billig aufgemalt statt in dem teueren, aber haltbareren Heiß- oder Kaltplastikverfahren aufgebraucht. Immerhin hat die Nachfrage innerhalb von nur vier Wochen zu einer Erneuerung geführt.“

Das Land Berlin hat seit 2006 für das Management von Planung, Bau, Betrieb und Instandsetzung von Lichtsignalanlangen die Alliander Stadtlicht GmbH als Generalübernehmer beauftragt. Der aktuelle Zehnjahresvertrag läuft noch bis Ende 2025. In einer Berichtsvorlage des Senats an das Abgeordnetenhaus von Mai 2021 geht hervor, dass offenbar ein Ende der Zusammenarbeit angestrebt wird. Die Rede ist dort von „Schwierigkeiten an den Schnittstellen zwischen Verwaltung und Generalübernehmer“, weshalb eine Überprüfung dieser bundesweit einmaligen Zusammenarbeit erforderlich sei und zu einer zukunftssicheren Weichenstellung führen solle. Für weitere Einzelheiten zur weiteren Vorgehensweise wird in der Drucksache auf eine vertrauliche Anlage verwiesen, die den Abgeordneten im Datenraum bereitgestellt werde.

Aus einer Berichtsvorlage an das Abgeordnetenhaus aus dem Jahr 2018 geht zudem das Gesamtvolumen des Vertrags mit dem Generalübernehmer hervor, das sich während der Vertragslaufzeit auf immerhin 272 Millionen Euro brutto beläuft. Das erklärt aus Sicht des Bundes der Steuerzahler womöglich die zügige Erneuerung der Fahrbahnmarkierung durch Alliander und die intransparente Informationspolitik der Verkehrsverwaltung.

 

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