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Jugendfreiwilligendienst: Umsatzsteuerfreie Leistungserbringung
Erbringt ein Träger des Jugendfreiwilligendienstes, der gemäß § 11 Absatz 1 Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG) zur Gewährung von Geld- oder Sachleistungen an die Freiwilligen verpflichtet ist, Leistungen an die Einsatzstelle der Freiwilligen, die von dieser durch eine monatliche Pauschale vergütet wird, ist diese Leistung nach Artikel 132 Absatz 1g der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) steuerfrei.
Die als gemeinnützig anerkannte Klägerin betreibt ein Zentrum für Freiwilligendienste. Sie stellt Jugendliche an unterschiedliche Einsatzstellen zur Verfügung und bereitet diese auf ihren Freiwilligendienst vor. Die Jugendlichen wurden während ihres gesamten Einsatzes von Mitarbeitern der Klägerin pädagogisch begleitet. Die Rechtsverhältnisse der Klägerin als Trägerin des Freiwilligendienstes mit den Freiwilligen und den Einsatzstellen beruhten auf §§ 1 ff. JFDG. Bei der Vertragsgestaltung hatte sich die Klägerin für die Alternative der zweiseitigen Vereinbarungen entschieden. Die Vereinbarungen mit den Jugendlichen regelten Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Seminarteilnahmepflicht und Vergütung. Die Teilnehmer erhielten von der Klägerin regelmäßig ein Taschengeld. Außerdem wurde ihnen bei Bedarf Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Weiterhin entrichtete die Klägerin die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozial- und Unfallversicherung der Freiwilligen.
Mit den gleichfalls als gemeinnützig anerkannten Einsatzstellen hatte die Klägerin zur Durchführung des Jugendfreiwilligendienstes verschiedene Rahmenverträge zum Einsatz der Freiwilligen nach § 11 Absatz 1 JFDG abgeschlossen, in denen die Rechte und Pflichten der jeweiligen Vertragspartner im Einzelnen geregelt wurden. Die Einsatzstellen zahlten eine monatliche Pauschale, mit der die Ausgaben der Klägerin für Taschengeld, Versicherungen und sonstige Aufwendungen abgedeckt wurden. Die Klägerin stellte daher den Einsatzstellen personenbezogen eine monatliche Pauschale zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer in Rechnung.
Im Streitjahr bestanden zwischen der Klägerin und verschiedenen Freiwilligen Freiwilligenvereinbarungen. Die Klägerin erstellte dabei im Rahmen des zweiseitigen Vertragsmodells nach § 11 Absatz 1 JFDG Rechnungen an Trägervereine der Einsatzstellen, in denen sie für jeweils einen Teilnehmer eine Einsatzstellenpauschale abrechnete.
Der BFH leitet aus dem Unionsrecht die Steuerfreiheit ab und lässt dabei offen, ob überhaupt eine entgeltliche Leistung im Sinne des § 1 Absatz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz vorliegt. Denn jedenfalls sei eine derartige Leistung nach Artikel 132 Absatz 1g MwStSystRL steuerfrei. Hiernach befreiten die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen (...), einschließlich derjenigen, die durch (...) Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden".
Die unternehmerbezogene Anerkennung ergebe sich aus § 10 JFDG. Die Klägerin erfülle auch die leistungsbezogene Voraussetzung. Diese liege vor, wenn die Leistung des Unternehmers ausschließlich dazu dient, den Einsatz von Zivildienstleistenden bei anerkannten Beschäftigungsstellen zu ermöglichen, die Einrichtungen bei der Anerkennung als Beschäftigungsstelle und bei der Zuweisung von Zivildienstleistenden zu unterstützen und die im Rahmen des Zivildienstes und damit nur vorübergehend den amtlichen Beschäftigungsstellen zugewiesenen Personen zu betreuen, da damit der erforderliche Bezug zur Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit besteht. Es handele sich dann um eine Leistung, die ausschließlich und unmittelbar darauf gerichtet ist, den Einsatz von Zivildienstleistenden im sozialen Bereich zu ermöglichen und durchzuführen.
Entscheidet sich ein Träger des Jugendfreiwilligendienstes, wie hier die Klägerin, dafür, keine dreiseitige Vereinbarung nach § 11 Absatz 2 JFDG abzuschließen, sodass sie gemäß § 11 Absatz 1 JFDG die Verpflichtung zur Gewährung von Geld- oder Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitsbekleidung und Taschengeld an die Freiwilligen übernimmt und hierfür von der Einsatzstelle eine monatliche Pauschale erhält, handele es sich um ein Entgelt für eine im Sinne des Artikels 132 Absatz 1g MwStSystRL eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung. Denn nach der gesetzlichen Ausgestaltung des Freiwilligendienstes in §§ 1 bis 3, sowie 5 und 11 JFDG solle die Einsatzstelle die Kosten für Geld- oder Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitsbekleidung und Taschengeld tragen, wobei die unterschiedlichen Vertragsgestaltungen nach § 11 Absatz 1 und Absatz 2 JFDG als gleichrangig anzusehen seien.
Die Entscheidung eines Trägers, die zweiseitige Vereinbarung nach § 11 Absatz 1 JFDG abzuschließen, mit der Folge, dass es einer weiteren Vereinbarung zur Kostentragung mit der Einsatzstelle bedarf, hebe daher auch in Bezug auf hierbei erbrachte Verwaltungsleistungen die enge Verbindung mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit nicht auf. Denn diese ergänzende Vereinbarung diene ausschließlich dazu, den Freiwilligen ihre Tätigkeit bei den Einsatzstellen zu ermöglichen und entspreche damit den Leistungen beim Einsatz von Zivildienstleistenden, die der BFH bereits auf vergleichbarer Grundlage als steuerfrei angesehen habe.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.06.2020, V R 21/19