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Gastronomiebeschränkungen durch «Bundesnotbremse»: Waren verfassungsgemäß

11.05.2022

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die in § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der Fassung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.04.2021 (§ 28b IfSG alter Fassung – a. F.) geregelte Untersagung der Öffnung von Gaststätten zur Eindämmung der Corona-Pandemie richtete.

In Anknüpfung an seine Entscheidung vom 19.11.2021 (1 BvR 781/21) unter anderem zur so genannten Bundesnotbremse hat das BVerfG entschieden, dass auch die vorübergehende Beschränkung des Betriebs der Gaststätten auf die Auslieferung und den Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken als Maßnahme zur Pandemiebekämpfung verfassungsrechtlich gerechtfertigt war. Der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum auch insoweit nicht überschritten.

Am 23.04.2021 trat das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft. Zentraler Gegenstand des Gesetzes war der in das IfSG eingefügte § 28b IfSG a. F., der bei Überschreiten eines Werts von 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt zu gesetzesunmittelbaren Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens führte. Die Beschränkungen waren an die Feststellung einer "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" durch den Bundestag gebunden und liefen mit dem 30.06.2021 aus. § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG a. F. untersagte die Öffnung von Gaststätten, Speiselokalen und ähnlichen Betrieben bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der "Bundesnotbremse"; erlaubt blieben nur die Auslieferung und der Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken (letzterer mit Ausnahme der Zeit von 22.00 bis 5.00 Uhr).

Die Beschwerdeführerin betreibt in Berlin, wo die Regelungen zwischen dem 24.04. und 18.05.2021 galten, ein Restaurant. Sie rügt insbesondere eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz – GG).

Laut BVerfG griff § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG a. F. zwar in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin ein, war jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig.

Bereits mit Beschluss vom 19.11.2021 (1 BvR 781/21 und andere) habe das BVerfG im Hinblick auf die allgemeinen Kontaktbeschränkungen des § 28b Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG a. F die Legitimität der Zwecke sowie die Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme festgestellt. Diese Einschätzung gelte auch für die hier angegriffene Beschränkung der Berufsfreiheit durch die Untersagung der Öffnung von Gaststätten. Der Schutz von Gesundheit und Leben sei ein legitimer Zweck, dessen Verfolgung selbst schwere Eingriffe in die Berufsfreiheit zu rechtfertigen vermag.

Die angegriffene Regelung sei trotz ihres erheblichen Eingriffsgewichts auch angemessen gewesen, so das BVerfG weiter. Dem Eingriff in die Berufsfreiheit komme zwar erhebliches Gewicht zu. Eine berufliche Betätigung in der von der Beschwerdeführerin gewählten Form sei während der Geltung der Vorschrift nicht möglich gewesen. Verstärkt worden sei die Eingriffswirkung dadurch, dass die Beschwerdeführerin ihren Betrieb bereits seit November 2020 unter ähnlichen Bedingungen geschlossen halten musste. Gemindert sei das Eingriffsgewicht jedoch durch den tatbestandlich vorgesehenen regional differenzierenden Ansatz und die Befristung der Maßnahme. Eine gewisse Minderung des Eingriffsgewichts sei zudem dadurch bewirkt worden, dass der Außer-Haus-Verkauf außerhalb der Nachtstunden und die Auslieferung von Speisen und Getränken von der Schließungsanordnung nicht erfasst waren. Schließlich sei das Eingriffsgewicht auch durch die für die betroffenen Betriebe vorgesehenen staatlichen Hilfsprogramme gemindert worden.

Dem gewichtigen Eingriff in die Berufsfreiheit sei jedoch gegenüberzustellen, dass angesichts der Dynamik des Infektionsgeschehens im April 2021 eine besondere Dringlichkeit bestand, zum Schutz der überragend bedeutsamen Rechtsgüter Leben und Gesundheit sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems tätig zu werden. Dabei sei der grundsätzliche Ansatz, den Schutz dieser Gemeinwohlbelange primär durch Maßnahmen der Kontaktbeschränkung an Kontaktorten zu erreichen – wozu auch die Schließung von Gaststätten zu zählen ist – verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so das BVerfG.

In der geforderten Abwägung zwischen dem Eingriff in Grundrechte und entgegenstehenden Belangen habe der Gesetzgeber einen verfassungsgemäßen Ausgleich gefunden. Hier sei der Wirtschaftszweig der Gastronomie insgesamt stark belastet worden. Doch sorgten die Vorschrift und die sie begleitenden staatlichen Hilfsprogramme für einen hinreichenden Ausgleich zwischen den verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen. Durch die Befristung und die am jeweiligen örtlichen Pandemiegeschehen ausgerichtete Differenzierung sei die Belastung durch die angegriffene Regelung begrenzt und bewirkt worden, dass die Regelung faktisch in keinem Gebiet Deutschlands die Höchstdauer von zwei Monaten erreichte. Ein teilweiser Ausgleich der Belastungen wurde laut BVerfG zudem durch die in der Regelung verankerte weiterhin bestehende Möglichkeit zum Außer-Haus-Verkauf und der Lieferung von Speisen und Getränken geschaffen. Darüber hinaus seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der angegriffenen Regelung durch die von der Bundesregierung aufgelegten Hilfsprogramme gedämpft worden.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.03.2022, 1 BvR 1295/21

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