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EU-Mehrwertsteuersystem: Steuerberater propagieren Reverse-Charge-Verfahren

25.01.2022

Die Koalitionspartner haben sich darauf verständigt, sich auf EU-Ebene für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem einzusetzen. In diesem Zusammenhang falle auch das Stichwort "Reverse-Charge", so der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV). Der Verband begrüßt die Idee der generellen Umkehr der Steuerschuldnerschaft.

Die Anzahl der Paragrafen zur Umsatzbesteuerung seien im Vergleich zur Ertragsbesteuerung überschaubar. Noch dazu sei die Umsatzsteuer – zumindest im Grundsatz – europäisch harmonisiert. Das klinge erstmal sehr vorteilhaft, so der DStV. Dennoch habe die Steuer ein großes Manko: Sie sei betrugsanfällig. Häufig angeführter Grund: Das System der Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug.

Das Zusammenspiel von Umsatzsteuerzahlungen und Vorsteuererstattungen führe gleich zu zwei Gefahrenherden – zum einen, dass geschuldete Umsatzsteuer nicht abgeführt wird, und zum anderen, dass Vorsteuerbeträge zu Unrecht vergütet werden. Gerade grenzüberschreitende Sachverhalte lüden so Betrüger zu so genannten Karussellgeschäften ein, die im Ergebnis dazu führten, dass Vorsteuer erstattet wird, obwohl fällige Umsatzsteuer durch so genannte Missing Trader nicht abgeführt wurde.

Die EU-Kommission arbeite seit geraumer Zeit an Vorschlägen für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem, das die derzeitige Aufteilung von steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen und steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerben im B2B-Bereich ablösen soll. Stattdessen sollen solche Lieferungen als einheitliche steuerpflichtige Lieferung gelten, die nach dem Bestimmungslandprinzip besteuert werden soll.

Der DStV gibt zu bedenken, dass eine solche Systemumstellung mit gravierenden Folgen für Unternehmen und ihre Berater einherginge. Die Berufskollegen müssten grenzüberschreitend tätige Mandanten hinsichtlich sämtlicher Mehrwertsteuersätze der EU-Länder beraten. Die Beratung in diesem Bereich wäre dadurch erschwert, dass die Regelungen der Mehrwertsteuersätze innerhalb der einzelnen EU-Mitgliedstaaten stark variieren. Die erst kürzliche Einigung der EU-Finanzminister für noch mehr Flexibilität der Mehrwertsteuersätze dürfte die Situation weiter verschärfen. Gerade kleinere Kanzleien ohne grenzüberschreitendes Beratungsnetzwerk dürften Leidtragende bei der von der EU‑Kommission angedachten Systemumstellung werden.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte das Reverse-Charge-Verfahren bieten. Durch die Umkehr der Steuerschuldnerschaft im Wege dieses Verfahrens kämen für die Besteuerung des Leistungsempfängers schließlich die ihm vertrauten nationalen Regelungen zur Anwendung. Die insbesondere kleine Kanzleien treffende Herausforderung von unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen in anderen EU-Mitgliedstaaten würde so abgemildert.

Insofern begrüßt der DStV, dass die Koalitionspartner die Idee des Reverse-Charge-Verfahrens im endgültigen Mehrwertsteuersystem ins Feld führen. DStV-Präsident StB Torsten Lüth betont: "Das Reverse-Charge-Verfahren ist geeignet, umsatzsteuerlichen Karussellbetrug zu bekämpfen. Dadurch, dass beim Reverse-Charge-Verfahren Warenempfänger sowohl Schuldner der Mehrwertsteuer als auch Vorsteuerabzugsberechtigte sind, sinkt das Betrugsrisiko für Karussellgeschäfte." In diesem Zusammenhang sprach sich der DStV eigenen Angaben zufolge bereits in der Vergangenheit für die Einführung eines generellen Reverse-Charge-Verfahrens aus.

Lüth betont: "Wichtig ist, dass nicht nur einzelne Warengruppen unter das Reverse-Charge-Verfahren fallen – wie aktuell etwa geltend für Goldlieferungen mit einem bestimmten Feingehalt. Andernfalls ändern Betrüger ihre Geschäftsfelder oder es kommt zu innereuropäischen Verlagerungstendenzen. In beiden Fällen wäre man kaum einen Schritt weiter. Letztlich ist ein Reverse-Charge-Verfahren nur effektiv, wenn alle Waren und Dienstleitungen unter ein solches System fallen."

Zugegeben wäre es illusorisch zu glauben, die Einführung des Reverse‑Charge‑Verfahrens allein würde sämtlichen Umsatzbetrügereien den Gar ausmachen, so der DStV weiter. Privatpersonen, die sich als Unternehmer ausgeben, könnten etwa gleichfalls Umsatzsteuerausfälle verursachen. Insofern müsste dringend sichergestellt sein, dass der Leistungsempfänger auch wirklich Unternehmer ist. Nichtsdestotrotz erachte der DStV das Reverse-Charge-Verfahren als sinnvollen Schritt, dem Umsatzsteuerkarussellbetrug entgegenzuwirken. In einem ersten Schritt werde jedoch abzuwarten sein, ob sich die EU-Mitgliedstaaten überhaupt (einstimmig) auf eine solch grundlegende Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie einigen können.

Deutscher Steuerberaterverband e.V., PM vom 20.01.2022

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