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Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt: Ist kein Scheingeschäft

29.09.2020

Der Werbevertrag einer nordrhein-westfälischen Großstadt mit einem Bochumer Unternehmen stellte kein Scheingeschäft dar und war damit zu erfüllen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden.

Die klagende Großstadt schloss mit dem beklagten Unternehmen im Jahr 2004 einen mit "Werbevertrag" überschriebenen Vertrag, im dem sich die Beklagte verpflichtete, alle über die Kfz-Zulassungsstelle der klagenden Großstadt zugelassenen Kraftfahrzeuge mit einem Werbeaufkleber der klagenden Großstadt, den diese zur Verfügung stellen sollte, zu versehen. Die Beklagte sollte für jedes während der Vertragslaufzeit über die Kfz-Zulassungsstelle der Beklagten zugelassene Kfz, das mit einem entsprechenden Werbeaufkleber versehen worden ist, 8,70 Euro netto erhalten. Die Beklagte ließ bis Anfang 2016 Fahrzeuge über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zu.

Die Klägerin verlangt von ihr die Rückzahlung von in den Jahren 2013, 2014 und 2015 nach dem Werbevertrag geflossenen Zahlungen von insgesamt gut 225.000 Euro. Ihre Forderung begründet sie damit, dass die Beklagte die von ihr zugesagten und in diesen Jahren abgerechneten Werbeleistungen nicht erbracht habe, weil die Werbeaufkleber auf den zugelassenen Fahrzeugen nicht angebracht worden seien.

Dagegen machte die Beklagte geltend, der Werbevertrag sei nur der Form halber aufgesetzt worden, um die Zahlungen an sie als Kostenposition haushaltsmäßig besser darstellen zu können. Die Klägerin habe vom hohen Wiedererkennungswert der typischen Nummernschilder für die Stadt profitieren wollen und auch ein Interesse gehabt, die Einnahmen aus den Zulassungskosten von etwa 26 Euro pro Fahrzeug, insgesamt also bis zu einer Viertelmillionen Euro pro Jahr, zu erhalten. Die Aufkleber seien nur eine zusätzliche Idee gewesen, um die Leistungspflicht der Beklagten nach außen und für den schriftlichen Vertrag handfester und griffiger definieren zu können. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin über viele Jahre hinweg Rechnungen in jeweils vier- bis fünfstelliger Höhe erhalten und anstandslos bezahlt habe, obwohl sie gewusst habe, keine weiteren Aufkleber mehr geliefert zu haben, ergebe sich, dass die Aufkleber von untergeordneter Bedeutung gewesen seien und die Klägerin stets davon ausgegangen sei, die Beklagte habe lediglich die Pflicht gehabt, die Fahrzeuge in der Großstadt zuzulassen.

Das Landgericht Bochum hat die zunächst nur auf die Zahlungen für die Jahre 2013 und 2014 gerichtete Klage mit Urteil vom 06.06.2018 abgewiesen (I-13 O 13/17). Der "Werbevertrag" von 2004 habe nicht den tatsächlich getroffenen Vertragsabsprachen entsprochen. Insbesondere sei die Regelung zur Anbringung der Werbeaufkleber – wie sich aus den Aussagen von vernommenen Zeugen ergebe – nur zum Schein getroffen worden, um eine nach dem Gebührenrecht unzulässige Reduzierung der gesetzlich bundesweit vorgeschriebenen Zulassungsgebühren zu verschleiern.

Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hatte ganz überwiegend Erfolg. Die Großstadt könne die Rückzahlung von insgesamt gut 225.000 Euro für die Jahre 2013 bis 2015 verlangen, so das OLG. Bei dem "Werbevertrag" von 2004 handele es sich nicht um ein zum Schein abgeschlossenes Geschäft. Dass die Vereinbarung "Vergütung gegen Aufkleber" nicht dem wirklichen Willen der Parteien entsprochen habe, sei insbesondere den Aussagen der bereits vom LG vernommenen Zeugen nicht zu entnehmen. Vielmehr spreche unter anderem die Bestellung von 13.200 Aufklebern zu Beginn des Vertragsverhältnisses eher dafür, dass der abgeschlossene "Werbevertrag" – jedenfalls zunächst – tatsächlich gelebt worden sei. Dass das Anbringen der Aufkleber später eingestellt worden oder eingeschlafen sei, lasse keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien bei Abschluss des Vertrags zu.

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Abschluss des "Werbevertrags" gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe oder sittenwidrig sei. Insbesondere ein zur Unwirksamkeit des Werbevertrags führendes gesetzliches Verbot, Zulassungsgebühren nicht unterhalb der in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzten Gebühren zu erheben, sei nicht zu erkennen. Soweit sich bei einer wirtschaftlichen Betrachtung eine geringere Zahlungspflicht der Beklagten ergeben habe, sei es den Parteien zwar offensichtlich darum gegangen, der Beklagten einen finanziellen Anreiz zu schaffen, ihre Fahrzeuge bei der Klägerin zuzulassen. Dieser Anreiz sei aber über den Werbevertrag geschaffen worden, dessen Inhalt an sich nicht gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung verstoße und dessen (indirekte) Koppelung an die Zulassung nicht im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl stehe. Der klagenden Großstadt seien die Zulassungsgebühren im gesetzlich festgesetzten Umfang zugekommen und der gezahlten Vergütung habe nach dem Vertrag eine (Werbe-)Leistung gegenübergestanden.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 25.09.2020, 12 U 91/18

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