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Urteil in bundesweit erstem Cum-Ex-Strafverfahren: Rechtskräftig

29.07.2021

Das Urteil des Landgerichts (LG) Bonn im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafverfahren ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) es bestätigt hat.

Das LG hat den Angeklagten S. im Zusammenhang mit so genannten Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2007 bis 2011 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt; gegen den Mitangeklagten D. hat es wegen mehrerer Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr verhängt. Zudem hat es bei S. Taterträge von 14 Millionen Euro sowie beim Bankhaus W. als der Einziehungsbeteiligten in Höhe von circa 176 Millionen Euro eingezogen.

Der Angeklagte S. und Verantwortliche des Bankhauses W., insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., verabredeten in den Jahren 2007 bis 2011, deutsche Finanzbehörden durch wahrheitswidrige Erklärungen zur Erstattung angeblich gezahlter Kapitalertragsteuer in Millionenhöhe zu veranlassen, die tatsächlich aber nicht entrichtet wurde. Hierfür plante und organisierte S. eine Vielzahl vom Bankhaus W. durchgeführter Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte, die wie folgt abliefen: Das Bankhaus kaufte in der Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (so genannte Cum-Aktien); die Leerverkäufer lieferten – wie von vornherein geplant und auch gewollt – Aktien ohne Dividendenanspruch (so genannte Ex-Aktien) und leisteten zur Kompensation an das Bankhaus W. je eine Ausgleichszahlung (so genannte Dividendenkompensationszahlung), für die ab 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist.

Allen Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass diese Steuer weder auf Seiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Gleichwohl stellte das Bankhaus W. sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen es – fälschlicherweise – den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen bei den Finanzbehörden erreichten insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., dass an die Einziehungsbeteiligte zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Aus diesen Taterträgen erwirtschaftete die Einziehungsbeteiligte weitere zehn Millionen Euro.

In den Jahren 2009 bis 2011 war der Angeklagte S. noch an weiteren Fällen maßgeblich beteiligt, in denen die umgesetzte Strategie dem Vorgehen in den Eigenhandelsfällen des Bankhauses W. entsprach, jedoch eigens für diesen Zweck gegründete Fonds die Rolle des Leerkäufers übernahmen. Nach Vorlage – inhaltlich falscher – Steuerbescheinigungen, die den angeblichen Steuereinbehalt für die durchgeführten Cum-Ex-Transaktionen bestätigten, zahlten die Finanzbehörden an die Fonds zu Unrecht über 226 Millionen Euro aus. S. profitierte von den Geschäften insgesamt in Höhe von 14 Millionen Euro. Hingegen war der Angeklagte D. an den Profiten nicht beteiligt; ihm kamen auch nur unterstützende Aufgaben zu.

Der BGH hat die gegen dieses Urteil von allen Verfahrensbeteiligten – mit unterschiedlicher Reichweite und Angriffsrichtung – eingelegten Revisionen verworfen und nur den Schuldspruch in Bezug auf den Angeklagten D. unter Aufrechterhaltung der verhängten Strafe dahin geändert, als dieser Angeklagte einer einheitlichen Beihilfe schuldig ist. Mit seiner Entscheidung hat der BGH die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.

An einer vorsätzlichen Begehung habe – wie das LG ohne Rechtsfehler ausgeführt hat – kein Zweifel bestehen können, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben. Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten habe das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften eine klare und eindeutige Regelung vorgesehen, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des LG verstoßen haben. Dies ergibt sich laut BGH schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf. Zudem betreffe die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum wirtschaftlichen Eigentum solche Konstellationen nicht, weil der bloße Abschluss derartiger Leerverkaufsabreden kein wirtschaftliches Eigentum begründen konnte.

Die Revisionen des Angeklagten S. und des Bankhauses W. gegen die sie betreffenden Einziehungsentscheidungen blieben ohne Erfolg. Das LG habe auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der jeweiligen Einziehung zu Recht bejaht und anhand der erzielten Taterträge und der hieraus gezogenen Nutzungen die Höhe der Einziehungsbeträge zutreffend bestimmt, so der BGH. Jedenfalls aufgrund der durch das Jahressteuergesetz 2020 vom 21.12.2020 neu eingeführten Regelung des § 73e Absatz 1 Satz 2 Strafgesetzbuch sei die Einziehung auch nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Ebenso wenig sei die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beanstandung durchgedrungen, das LG habe bei den Einziehungsanordnungen zu Unrecht zugunsten des Angeklagten S. und der Einziehungsbeteiligten eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet. Die getroffene Anordnung weise keinen Rechtsfehler auf.

Mit der Entscheidung des BGH ist das Urteil des LG rechtskräftig.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.07.2021, 1 StR 519/20

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