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Schienenbahn-Betreiberin: Haftet nach tödlichem Unfall an Gleisübergang anteilig

09.03.2022

Die Betreiberin eines Zuges haftet nach einem tödlichen Unfall an einem Gleisübergang trotz erheblichen Eigenverschuldens einer verunglückten Person anteilig, wenn die Betriebsgefahr der Bahn wegen der Beschaffenheit des Bahnübergangs erhöht war. Dies hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main entschieden.

2015 war eine 16-jährige Schülerin an einem Bahnübergang auf dem Weg zur Schule von einem Zug erfasst worden. Das Mädchen verstarb noch an der Unfallstelle. Der Bahnübergang liegt in einem Wohngebiet und wird von Fußgängern genutzt. Vor den Gleisen befindet sich ein sogenanntes Drängelgitter beziehungsweise eine Umlaufsperre. Lichtzeichen oder akustische Warnsignale werden beim Passieren eines Zuges nicht abgegeben.

Die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung zahlte Sterbegeld an die Hinterbliebenen und verklagte die Betreiberin der Schienenbahn auf Erstattung von 40 Prozent dieser Kosten. Zwar habe das Mädchen ein Eigenverschulden an dem Unfall getroffen. Die beklagte Bahnbetreiberin treffe aber ein Mitverschulden, weil der Bahnübergang nur durch das Drängelgitter gesichert gewesen sei, das auch Kinder und Jugendliche unachtsam passierten.

Das LG Frankfurt am Main hat in zweiter Instanz entschieden, dass die Betreiberin der Bahn zu einem Drittel für den Unfall hafte. Das LG hat damit eine Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main bestätigt und eine Berufung der Bahnbetreiberin zurückgewiesen.

In dem Berufungsverfahren vor dem LG wurden mehrere Gutachten verschiedener Sachverständiger eingeholt. Aufgrund dieser Exoertisen stellte das LG fest, dass die Betriebsgefahr des Zuges bei dem tödlichen Unfall wegen der Beschaffenheit des Bahnübergangs maßgeblich erhöht war. Das rechtfertige trotz eines erheblichen Eigenverschuldens der Schülerin eine Mithaftung der Bahnbetreiberin.

An dem Bahnübergang sei die notwendige Übersicht, also die Sichtweite zu einem herannahenden Zug, zwar noch gegeben – dies aber erst, sobald der Fußgänger schon durch das Drängelgitter hindurchgegangen sei und sich unmittelbar vor den Gleisen befinde. Bis zu diesem Moment werde die Sicht nach den Angaben beider Sachverständiger zum einen durch die am Gleisübergang wachsenden Hecken und außerdem durch ein dort befindliches Warnschild eingeschränkt.

Der Sachverständige habe einen weiteren erheblichen Mangel des Bahnüberganges festgestellt: Der lichte Abstand der Umlaufsperre zur Gleisachse, also der Gleismitte, sei zu gering. Nach den einschlägigen Vorschriften (Vorschrift für die Sicherung der Bahnübergänge bei nichtbundeseigenen Eisenbahnen) müsse die Entfernung vom Drängelgitter zur Gleismitte drei Meter betragen, zum ersten Gleisstrang mindestens 2,25 Meter. An der Unfallstelle seien es jedoch nur 2,60 Meter zur Gleismitte beziehungsweise 1,85 Meter zum ersten Gleisstrang. Die fehlenden 40 Zentimeter seien nicht unerheblich. Denn sie entsprächen bei mäßigem Lauftempo in etwa einem Schritt. Zum ersten Gleisstrang fehlten fast 20 Prozent des notwendigen Abstandes, stellte das LG fest.

Die Gesamtschau dieser Faktoren führt seiner Ansicht nach dazu, dass der betreffende Bahnübergang sehr gefährlich ist und jedenfalls hinsichtlich des Abstandes der Umlaufsperre zu den Gleisen gegen die einschlägigen Vorschriften verstößt. Es sei außerdem beachtlich, dass es sich um einen Gleisübergang innerhalb eines Ortes in einem Wohngebiet handelt, der regelmäßig von Schulkindern begangen wird. Zwar sei es nach § 11 Absatz 9 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung erlaubt, eine Bahnstrecke ("nur") durch eine Übersicht und Umlaufsperre zu sichern. Dass das im konkreten Fall ausreicht, sei damit aber nicht gesagt.

Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.02.2022, 2-01 S 168/17, rechtskräftig

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