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Nutzung sozialer Netzwerke: In bestimmten Fällen keine Klarnamenpflicht

28.01.2022

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass bei der Nutzung sozialer Netzwerke nicht immer eine Klarnamenpflicht besteht, der Anbieter des Netzwerks also verpflichtet sein könne, eine Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen.

Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieter und Vertragspartner für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist.

Im Verfahren III ZR 3/21 hatte der Kläger als seinen Profilnamen ursprünglich ein Pseudonym verwendet. Nachdem er im März 2018 auf Nachfrage nicht bestätigt hatte, dass es sich um seinen im Alltag verwendeten Namen handelt, sperrte die Beklagte sein Nutzerkonto. Sie schaltete es erst nach einer Änderung des Profilnamens wieder frei. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, Änderungen seines von ihm in dem Netzwerk verwendeten Profilnamens zu verhindern. Im Verfahren III ZR 4/21 gab die Klägerin als Profilnamen ebenfalls ein Pseudonym an. Ihr Nutzerkonto wurde von der Beklagten im Januar 2018 gesperrt, nachdem sie der Aufforderung, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachgekommen war. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieser Sperrung. Im Verfahren III ZR 3/21 war die Klage in den Vorinstanzen erfolglos. Im Verfahren III ZR 4/21 wurde die Klage in zweiter Instanz vollumfänglich abgewiesen. Die Revisionen der Kläger hatten überwiegend Erfolg.

Im Verfahren III ZR 3/21 hat der BGH das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym ändert, und ihm unter Verwendung des gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.

Nach den für diesen Fall maßgeblichen Nutzungsbedingungen vom 19.04.2018 habe der Kontoinhaber bei der Nutzung des Netzwerks den Namen zu verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet. Diese Bestimmung sei unwirksam, weil sie den Kläger zum Zeitpunkt ihrer Einbeziehung in den Nutzungsvertrag der Parteien am 30.04.2018 entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte. Sie sei mit dem in § 13 Absatz 6 Satz 1 Telemediengesetz (TMG) in der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass der Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, nicht zu vereinbaren.

Eine umfassende Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Einbeziehung von Artikel 6 Absatz 1c der Datenschutz-Richtlinie ergebe, dass es der Beklagten zwar nicht zumutbar gewesen sei, die Nutzung des Netzwerks zu ermöglichen, ohne dass der jeweilige Nutzer ihr zuvor – etwa bei der Registrierung – im Innenverhältnis seinen Klarnamen mitgeteilt hatte. Für die anschließende Nutzung der von ihr angebotenen Dienste unter Pseudonym sei die Zumutbarkeit jedoch zu bejahen.

Die Unwirksamkeit der Bestimmung zur Klarnamenpflicht führt laut BGH dazu, dass die Bestimmung ersatzlos wegfällt. In der Folge habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, das Netzwerk unter einem Pseudonym zu nutzen.

Im Verfahren III ZR 4/21 hat der BGH das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – die Beklagte verurteilt, das Nutzerkonto der Klägerin freizuschalten und der Klägerin unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen dieses Kontos zu gewähren.

Die Beklagte könne von der Klägerin nicht verlangen, ihren Profilnamen in ihren wahren Namen zu ändern. Die Bestimmung zur Klarnamenpflicht in den hier maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten zum Stand 30.01.2015 sei ebenfalls unwirksam. Diese Bedingungen enthielten eine Regelung, wonach die Nutzer ihre wahren Namen und Daten anzugeben haben. Von der Unwirksamkeit dieser Bestimmung habe der BGH bereits gemäß § 11 Satz 1 Unterlassungsklagengesetz aufgrund des Unterlassungsurteils des Landgerichts Berlin vom 16.01.2018 (16 O 341/15) in einem Verbandsklageverfahren auszugehen. Die Beklagte dürfe sich danach bei der Abwicklung von Verträgen über die Teilnahme an einem sozialen Netzwerk mit Verbrauchern, die ihren ständigen Aufenthaltsort in Deutschland haben, nicht auf Bestimmungen berufen, die der hier verwendeten Bestimmung zur Klarnamenpflicht entsprechen. In der Folge könne die Klägerin von der Beklagten die Freischaltung ihres Nutzerkontos und Zugriff auf dessen Funktionen verlangen.

In beiden Verfahren kam es laut BGH für die Entscheidung auf die Vorgaben Datenschutz-Grundverordnung nicht an, weil diese erst seit dem 25.05.2018 gelte und es für die Rechtslage auf den Zeitpunkt der Einbeziehung der jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis ankomme.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 27.01.2021, III ZR 3/21 und III ZR 4/21

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