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Liebeswahn: Kann zu Freiheitsstrafe führen

22.07.2020

Eine Stalkerin wurde nach wiederholter Untersuchungshaft zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die 34-jährige österreichische studierte Betriebswirtin habe sich wegen Nachstellung, Körperverletzung, Hausfriedensbruchs, sexuellen Übergriffs, falscher Verdächtigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Beleidigung und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht, so das Amtsgericht (AG) München.

Anfang 2017 hatte die Angeklagte den gut 40-jährigen Geschädigten während dessen Urlaubsaufenthalt in Österreich kennengelernt, wobei er seine Handynummer herausgab und anfangs sporadisch auf ihre Nachrichten antwortete. Neben Kontaktversuchen via Telefon, Mail, Brief, WhatsApp und SMS suchte die Angeklagte ihn ab Mitte 2017, nachdem der Geschädigte ihre Nummer gesperrt hatte, auch persönlich zu Hause, im Fitnessstudio, beim Besuch von Bars und Restaurants und an seinem Arbeitsplatz auf. Nach einem dadurch veranlassten Umzug des Geschädigten fand sie seine neue Anschrift heraus und stellte ihm auch dort nach. Unter anderem entnahm sie Briefe aus seinem Briefkasten, beschmierte den Sattel seines Rades mit Alleskleber, die Türklinke mit Creme, die Tür mit Lippenstift, warf Steine an die Fensterscheiben, versuchte, in die Wohnung zu sehen und rief immer wieder laut seinen Namen. Bei einer polizeilichen Vernehmung bezichtigte sie den Geschädigten fälschlich, sie im Januar 2017 vergewaltigt zu haben.

Der Geschädigte hatte seit September 2018 jährlich familiengerichtliche Gewaltschutzanordnungen gegen die Angeklagte erwirkt, die sie sämtlich missachtete. Allein im Zeitraum vom 09.06.2019 bis 22.06.2019 rief sie den Geschädigten 232 Mal an. Am 22.06.2019 bewarf sie gegen 21 Uhr die Fenster des Geschädigten mit Steinen und einer Glühbirne. Als er sich in eine Bar begab, folgte sie ihm, um zunächst vor der Bar auf ihn zu warten. Als er sich am Folgemorgen in weiblicher Begleitung seiner Wohnung näherte, stieß sie seine Begleiterin so gegen die Brust, dass diese Hämatome erlitt. Um 07.30 Uhr gelangte die Angeklagte wohl über ein geöffnetes Fenster in sein Schlafzimmer, legte sich nur mit BH und Jeans bekleidet auf den tief schlafenden Geschädigten und drang mittels Zungenkusses in seinen Mund ein. Die Angeklagte wurde von der herbeigerufenen Polizei festgenommen, am 06.11.2019 aus der Untersuchungshaft mit der Auflage entlassen, nach Österreich zurückzukehren und den Geschädigten nicht mehr zu kontaktieren. Tatsächlich blieb sie in München und stellte dem Geschädigten ab Februar 2020 bis zu ihrer neuerlichen Festnahme am 01.05.2020 in geschilderten Weisen weiter nach. Der Festnahme versuchte sie sich gewaltsam zu entziehen.

Der Geschädigte schilderte in der Verhandlung, nach Wohnungs- und Berufswechsel aufgrund der Nachstellungen gesundheitlich beeinträchtigt zu sein und unter Schlaflosigkeit zu leiden. Der psychiatrische Sachverständige sah aufgrund des diagnostizierten Liebeswahns keine nachweisbaren Einschränkungen der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten.

Die Vorsitzende Richterin begründete die Bewährungsaussetzung damit, dass die Angeklagte nicht vorbestraft war und erstmals vor Gericht stand. Somit könne ihr grundsätzlich eine günstige Sozialprognose ausgestellt werden. Sie habe im Rahmen der Hauptverhandlung auch zu erkennen gegeben, nunmehr endgültig verstanden zu haben, dass der Geschädigte keinerlei Kontakt zu ihr haben möchte und versichert, auch von sich aus keinen Kontakt mehr haben zu wollen. Es lägen auch besondere Umstände vor, die eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigten. So habe die Angeklagte den Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt, sich lange Zeit in Untersuchungshaft befunden, insofern einen erheblichen Hafteindruck erhalten und sei nunmehr im vierten Monat schwanger.

Die Angeklagte wurde vom Gericht angewiesen, jegliche Kontaktaufnahme zum Geschädigten zu unterlassen, eine geeignete Therapie anzutreten und diese nicht gegen ärztlichen Rat abzubrechen.

Amtsgericht München, Urteil vom 10.07.2020, 813 Ls 474 Js 160306/19, rechtskräftig

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