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Kinderreiche Richter und Staatsanwälte: Nordrhein-Westfalen zahlte zu wenig Gehalt

30.07.2020

Die Besoldungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen sind mit dem von Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz gewährleisteten Alimentationsprinzip unvereinbar, soweit sie die Besoldung kinderreicher Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 2 in den Jahren 2013 bis 2015 regeln. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass die den Richtern und Beamten ab dem dritten Kind gewährten Zuschläge ihr Nettoeinkommen so erhöhen müssten, dass ihnen für jedes dieser Kinder mindestens 115 Prozent des grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarfs nach dem Sozialgesetzbuch II zur Verfügung steht. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber muss nun bis spätestens 31.07.2021 eine verfassungskonforme Regelung treffen.

Die Kläger der Ausgangsverfahren stehen als Richter mit Dienstbezügen der Besoldungsgruppe R 2 im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Kläger eines Verfahrens ist verheiratet und erhielt im Jahr 2013 für drei Kinder Kindergeld. Die beiden anderen Verfahren betreffen einen Kläger, der ebenfalls verheiratet ist und in den Jahren 2014 und 2015 für vier Kinder Kindergeld erhielt. Die Kläger machen geltend, dass ihre Besoldung im Hinblick auf ihre Kinderzahl verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG diese Frage zur Prüfung vorgelegt.

Das BVerfG geht aufgrund der bisherigen Praxis des Besoldungsgesetzgebers davon aus, dass er die Grundbesoldung so bemisst, dass sie zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder für eine Zwei-Kinder-Familie amtsangemessen ist. Der zusätzliche Bedarf, der für das dritte und die weiteren Kinder entsteht, sei vom Dienstherrn zu decken.

Bei der Bemessung dieses Bedarfs könne der Gesetzgeber von den Leistungen der sozialen Grundsicherung ausgehen. Dabei müsse er aber beachten, dass die Alimentation etwas qualitativ Anderes als die Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs ist, betont das BVerfG. Ein um 15 Prozent über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag lasse den verfassungsgebotenen Unterschied hinreichend deutlich werden. Das zur Bestimmung der Mindestalimentation herangezogene Grundsicherungsniveau umfasse alle Elemente des Lebensstandards, der den Empfängern von Grundsicherungsleistungen staatlicherseits gewährt wird, also insbesondere den monatlichen Regelsatz, die anteiligen Kosten für die Unterkunft und Heizung sowie den Bedarf für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.

Diesen Maßstäben würden die in Rede stehenden Besoldungsvorschriften nicht gerecht. Vergleichsberechnungen zeigten, dass die Besoldung der Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 2 in Bezug auf das dritte Kind im Jahr 2013 und in Bezug auf das dritte und vierte Kind in den Jahren 2014 und 2015 den verfassungsgebotenen Mindestabstand von 15 Prozent zur Grundsicherung nicht eingehalten hat. Es sei nicht einmal der grundsicherungsrechtliche Gesamtbedarf für ein Kind durch die bei steigender Kinderzahl gewährten Nettomehrbeträge ausgeglichen worden.

Den Gesetzgeber ist laut BVerfG verpflichtet, die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten. Eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes sei mit Blick auf die Besonderheiten des Richter- und Beamtenverhältnisses nicht geboten. Eine rückwirkende Behebung sei jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.05.2020, 2 BvL 6/17, 2 BvL 8/17, 2 BvL 7/17

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