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Kindergeld: Neues zur Sechs-Monatsfrist

24.07.2020

Durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.07.2019 sind kindergeld- beziehungsweise kinderfreibetragsrelevante Änderungen eingetreten. Hierauf weist der Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt aktuell hin.

§ 66 Absatz 3 Einkommensteuergesetz (EStG), wonach Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt wird, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, wurde laut Steuerberaterverband aufgehoben. Die bisherige gesetzliche Regelung sei nur auf Kindergeldanträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.07.2019 bei der Familienkasse eingegangen sind. Strittig sei gegenwärtig, ob auf Grundlage dieser Regelung eine Auszahlung von Kindergeld verweigert werden kann. Dazu seien zahlreiche Verfahren anhängig, die der Bundesfinanzhof (BFH) zu entscheiden habe.

§ 70 Absatz 1 Satz 2 EStG regele nunmehr, dass die Auszahlung festgesetzten Kindergelds rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats erfolgt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Diese Regelung sei auf Kindergeldanträge anzuwenden, die nach dem 18.07.2019 bei der Familienkasse eingehen.

Die Aufhebung des § 66 Absatz 3 EStG und die Übernahme der sechsmonatigen Ausschlussfrist für die Auszahlung von Kindergeld in § 70 Absatz 1 Satz 2 EStG erfolgten laut Steuerberaterverband, um klarzustellen, dass die Ausschlussfrist nicht dem Festsetzungs- sondern dem Erhebungsverfahren (= der Auszahlung) zuzuordnen ist.

Nach § 31 Satz 4 EStG sei bei der Günstigerprüfung in der Regel der Anspruch auf Kindergeld zu berücksichtigen. § 31 Satz 5 EStG sehe eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor und bestimme Folgendes: Bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach (§ 31) Satz 4 (EStG) bleibe der Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate unberücksichtigt, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Absatz 1 Satz 2 (EStG) nicht ausgezahlt wurde. Auf Rückfrage seien gegenüber dem Finanzamt der betreffende Kindergeldbescheid oder eine Bescheinigung der Familienkasse nach § 68 Absatz 3 EStG vorzulegen. Die Regelung nach § 31 Satz 5 EStG sei nach Auffassung der Finanzverwaltung erstmals für den Veranlagungszeitraum 2019 – nicht aber für davor liegende Veranlagungsjahre trotz Antragsstellung nach dem 18.07.2019 – anzuwenden.

Weiter führt der Steuerberaterverband aus, die Finanzverwaltung stelle bei Anwendung der Günstigerprüfung im Veranlagungszeitraum 2018 auf den Kindergeldanspruch unabhängig von dessen Auszahlung ab. Dieser Auffassung sei das Hessische Finanzgericht mit Urteil vom 17.09.2019 (6 K 174/19, nicht rechtskräftig) entgegengetreten. Es habe entschieden, dass in Fällen, in denen der Steuerpflichtige einen bestehenden Kindergeldanspruch innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist gegenüber der Familienkasse geltend macht und die Familienkasse die Kindergeldzahlung wegen der Ausschlussfrist des § 66 Absatz 3 EStG a.F. ganz oder teilweise ablehnt, im Rahmen der Günstigerprüfung der Anspruch auf Kindergeld für die Kalendermonate, für die keine Zahlung erfolgt sei, mit "null Euro" zu erfassen sei. Gegen diese Entscheidung ist laut Steuerberaterverband ein Revisionsverfahren vor dem BFH anhängig. Vergleichbare Verfahren sollten offengehalten werden.

Eine Entscheidung des BFH sei geboten, weil das FG Köln mit Urteil vom 05.02.2020 (14 K 1612/19, nicht rechtskräftig) eine von der Ansicht des FG Hessen abweichende Haltung eingenommen und die Verwaltungsauffassung bestätigt habe. Demnach sei der Kindergeldanspruch unabhängig vom tatsächlich ausgezahlten Kindergeld in die Vergleichsberechnung einzubeziehen. Außerdem habe das FG Köln klargestellt, dass der neu eingeführte § 31 Satz 5 EStG nicht vor dem Veranlagungszeitraum 2019 analog anwendbar sei. Laut Steuerberaterverband ist auch gegen die Entscheidung des FG Köln ein Revisionsverfahren vor dem BFH anhängig. Vergleichbare Verfahren sollten offengehalten werden. Einsprüche, die sich auf das beim BFH anhängige Verfahren berufen, ruhten kraft Gesetzes. Dies gelte auch, wenn Familienkassen rückwirkende Kindergeldzahlungen für Kalenderjahre vor 2019 unter Hinweis auf § 70 Absatz 1 Satz 2 EStG n. F. abgelehnt haben.

Gegenwärtig sei zudem streitig, ob die Sechs-Monats-Begrenzung durch § 66 Absatz 3 EStG a.F. nur für das (kindergeldrechtliche) Erhebungsverfahren gilt oder bereits für das (kindergeldrechtliche) Festsetzungsverfahren. Dazu seien zahlreiche Revisionsverfahren beim BFH anhängig. Kommt dieser zu der Ansicht, dass Kindergeld auch mehr als sechs Monate zurück auszuzahlen sei, wäre in der Steuererklärung dieser tatsächlich erfüllte Kindergeldanspruch anzugeben. Kommt der BFH zur Ansicht, dass Kindergeld nicht mehr als rückwirkend sechs Monate zur Auszahlung komme, wäre in einem zweiten Schritt zu klären, ob dieser nicht ausgezahlte Kindergeldanspruch bei der Günstigerprüfung zu berücksichtigen ist. Aufgrund dieser Wechselwirkung rät der Steuerberaterverband, Einkommensteuerbescheide verfahrensrechtlich offen zu halten. Wird der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig und nachträglich eine Kindergeldauszahlung abgelehnt, stelle sich die Frage nach einer Änderung gem. § 175 Absatz 1 Nr. 2 Abgabenordnung. Diese werde von der Finanzverwaltung bislang abgelehnt. Gegen einen Ablehnungsbescheid sollte Einspruch eingelegt und das Verfahren mit Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren in der Rechtssache III R 50/19 offengehalten werden.

Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt, PM vom 23.07.2020

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