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Flugverspätung: Kein Geld bei Insolvenz der vom Reiseveranstalter zunächst ausgewählten Fluggesellschaft

26.04.2021

Ein Mann war mit seiner Klage gegen eine Reiseveranstalterin auf Zahlung von 800 Euro wegen Verspätung des Hinfluges vor dem Amtsgericht (AG) München erfolglos. Die Verspätung war darauf zurückzuführen gewesen, dass die zunächst von der Reiseveranstalterin engagierte Airline insolvent geworden war, weswegen eine andere Fluggesellschaft eingesetzt werden musste.

Der Kläger und seine Ehefrau hatten bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Ägypten für 2.508 Euro gebucht. Der Hinflug von Nürnberg nach Marsa Alam mit der Fluggesellschaft Small Planet Airlines GmbH war für den 02.10.2018 um 13.30 Uhr vorgesehen. Am 18.09.2018 ging die Flugfirma in Insolvenz. Der Hinflug erfolgte mit einer anderen Fluggesellschaft am 02.10.2018 erst um 22.15 Uhr, sodass der Kläger und seine Ehefrau das gebuchte Hotel erst um 6.00 Uhr erreichten. Die Beklagte hatte vorgerichtlich an den Kläger 100 Euro gezahlt.

Der Kläger trägt vor, dass für die Ehefrau aufgrund durch diese Strapaze verursachten Kreislaufversagens drei Tage lang der Hotelarzt auf das Zimmer habe kommen und sich um seine Frau habe kümmern müssen. Nach der EU-Verordnung 261/2004 hätte er vom Flugunternehmen 800 Euro erhalten müssen, was infolge Insolvenz unmöglich geworden sei. Die Beklagte sei schadenersatzpflichtig, weil sie als professionelles Touristikunternehmen eine Fluglinie ausgewählt habe, die sich bekanntermaßen bereits in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe.

Die Beklagte trägt vor, dass sie für die Insolvenz der Fluggesellschaft, deren wirtschaftliche Verhältnisse ihr nicht bekannt gewesen seien, nicht einzustehen habe. Diese habe ihre Flüge immer zuverlässig durchgeführt. Es bestehe keine Pflicht des Reiseveranstalters, dafür zu sorgen, dass Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung gegen die befördernde Fluggesellschaft durchsetzbar sind. Hinsichtlich der Flugverzögerung, für die allein die Beklagte hafte, seien die ersten vier Stunden als bloße Unannehmlichkeit im Rahmen des Massentourismus entschädigungslos hinzunehmen. Eine Minderung komme ab der fünften Verzögerungsstunde, hier allenfalls für sechs Stunden in Betracht. Deswegen seien eigentlich lediglich 50,16 Euro geschuldet.

Die Beklagte biete ihre Reisen nur für durchschnittlich gesunde Reisende an. Dass die Ehefrau des Klägers aufgrund des Abwartens ein Kreislaufversagen erlitten habe, sei als unwahrscheinlich zu bestreiten. Grund sei wohl eher eine Vorerkrankung gewesen.

Vorliegend sei in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Pauschalreisevertrag eine unverbindliche Abflugzeit für den Hinflug am 02.10.2018 um 13.30 Uhr angegeben gewesen, führt das AG München aus. Eine Verschiebung der vorgesehenen Abflugzeiten sei im Rahmen des Massentourismus in gewissem Umfang als bloße Unannehmlichkeit hinzunehmen. Verzögert sich der Abflug allerdings über eine Dauer von mehr als vier Stunden über die vorgesehene Abflugzeit hinaus, stünden dem Reisenden nach überwiegender Rechtsprechung wegen dieses Reisemangels Minderungsansprüche gemäß § 651m Bürgerliches Gesetzbuch in Höhe von fünf Prozent des anteiligen Tagesreisepreises für jede weitere Stunde zu.

Ausgehend von einem Tagesreisepreis von 167,20 Euro (2.508 Euro durch 15 Tage) und einer berücksichtigungsfähigen Flugverschiebung von sechs Stunden habe die Beklagte den diesbezüglichen Minderungsanspruch des Klägers durch vorgerichtliche Regulierung in Höhe von 100 Euro hinreichend ausgeglichen.

Der individuelle Gesundheitszustand des Reisenden sei nicht Gegenstand des zwischen den Parteien abgeschlossenen Reisevertrages. Auszugehen sei insoweit vom Gesundheitszustand eines durchschnittlichen Reisenden. Die Auswahl einer solventen Fluglinie, um dem Reisenden etwaige Ausgleichsansprüche nach Fluggastrechteverordnung zu sichern, sei nicht vom Schutzzweck des Pauschalreisevertrages umfasst.

Im Übrigen käme ein entsprechender Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte als Reiseveranstalterin nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass dieser Anspruch gegen die insolvente Fluggesellschaft als ausführendes Luftfahrtunternehmen tatsächlich bestand. Insofern hält es das AG bereits für fraglich, ob es sich bei der insolventen Fluggesellschaft um das "ausführende Luftfahrtunternehmen" in Sinne der Fluggastrechteverordnung handelt. Denn mit der tatsächlichen Durchführung der Luftbeförderung sei von der Beklagten kurzfristig unstreitig eine andere Fluggesellschaft betraut worden. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei Vertragsabschluss oder im Vorfeld des gebuchten Hinfluges Kenntnis von der Insolvenz der Fluggesellschaft hatte, zumal der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zwingend zu einer Einstellung des Flugbetriebes führen muss und vorliegend infolge der angeordneten vorläufigen Eigenverwaltung jedenfalls bis 31.10.2018 auch nicht dazu führte.

Amtsgericht München, Urteil vom 23.04.2021, 158 C 23585/20, nicht rechtskräftig

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