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Familiengerichte: Für Anordnungen gegenüber Schulen in Bezug auf Corona-Schutzmaßnahmen nicht zuständig

28.10.2021

Familiengerichte sind für den Erlass von Anordnungen gegenüber Schulen in Bezug auf das Unterlassen von Corona-Schutzmaßnahmen nicht zuständig. Das stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.

Mit einem an das Familiengericht gerichteten Schreiben hat die Beteiligte darum nachgesucht, ein Verfahren nach § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu eröffnen und gegenüber den Lehrkräften und der Schulleitung der von ihrer 15-jährigen Tochter besuchten Gesamtschule einstweilig anzuordnen, die schulintern getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), insbesondere die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Abstandsgebote und gesundheitliche Testungen, vorläufig auszusetzen.

Das Familiengericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht (VG) verwiesen. Das VG hat die ihm übersandten Verfahrensakten an das Familiengericht "zuständigkeitshalber zurückgesandt" und dabei den Rechtsstandpunkt eingenommen, dass das Familiengericht zuständig und die Verweisung an das VG wegen eines groben Verfahrensverstoßes nicht bindend sei. Daraufhin hat das Familiengericht die Sache dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Über einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet dasjenige oberste Bundesgericht, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird, im vorliegenden Fall somit der BGH.

Das Familiengericht hat bei einer Gefährdung des Kindeswohls von Amts wegen die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Dabei kann das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen (§ 1666 Absatz 1, 4 BGB).

Der BGH hat klargestellt, dass damit jedoch keine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber schulischen Behörden verbunden ist. Im Rahmen des schulischen Sonderrechtsverhältnisses seien die zuständigen Behörden ihrerseits an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns – auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen – obliege hierbei allein den Verwaltungsgerichten.

Eine Rechtswegverweisung des Familiengerichts an das VG komme jedoch wegen unüberwindbar verschiedener Prozessgrundsätze des von Amts wegen zu betreibenden familiengerichtlichen Verfahrens einerseits und des Klage- beziehungsweise Antragsverfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits nicht in Betracht. Das familiengerichtliche Verfahren sei deshalb ohne Rechtswegverweisung einzustellen gewesen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.10.2021, XII ARZ 35/21

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