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Elterliche Sorge: Kann auch gegen Willen des Kindes aufrechterhalten werden

22.06.2021

Die elterliche Sorge kann gegen den ausdrücklich erklärten Willen eines 13-jährigen Kindes aufrecht zu erhalten sein, wenn eine ausreichende Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern im Übrigen gegeben ist. Dies hat das Amtsgericht (AG) Frankenthal entschieden.

Die Beteiligten sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern eines 13-jährigen Kindes. Zwischen dem Kind und dem Antragsgegner bestand seit geraumer Zeit kein Kontakt mehr; jedenfalls seit ungefähr zwei Jahren ist der Kontakt gänzlich abgebrochen. Die Eltern kommunizieren kaum miteinander, die Mutter hat die wesentlichen Entscheidungen für das bei ihr wohnende Kind in der Vergangenheit allein getroffen. Die Kommunikation beschränkte sich im genannten Zeitraum auf Whatsapp-Chats. Der Vater zahlt für das Kind Kindesunterhalt. Die Mutter beantragte die Übertragung der alleinigen Sorge auf sich. Zum einen entspreche dies dem Wunsch des Kindes, zum anderen sei der Antragsgegner an dem Kind nicht interessiert und übe daher die elterliche Sorge faktisch nicht aus. Der Antragsgegner hat sich dem Antrag widersetzt. Er hat anerkannt, dass er sich zuletzt wenig um das Kind gekümmert hat, möchte aber an der elterlichen Sorge festhalten.

Das AG hat den Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge zurückgewiesen. Gemäß § 1671 Absatz 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch könne jeder Elternteil, wenn Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben und ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge allein überträgt. Dem Antrag sei stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Gleichgültigkeit eines Elternteils könne nur dann Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung der elterlichen Sorge werden, wenn der betreffende Elternteil sich überhaupt nicht um das Kind kümmert. Mangelndes Engagement müsse aber nicht zur alleinigen Sorge führen, wenn die Eltern sonst zusammenarbeiten können und das gebotene Maß an Gemeinsamkeiten und wenigstens ein gewisses Interesse für das Kind vorhanden ist.

Ein Elternteil könne für die Entwicklung des Kindes zurücktreten und damit weniger wichtig bleiben, während der andere für die tägliche Erziehungsarbeit zuständig war und ist, ohne dass sich weitere Auswirkungen für die Entwicklung des Kindes ergeben, so das AG. Oft hätten sich die Eltern für dieses Modell auch schon vor der Trennung entschieden – dann träten ohnehin keine Änderungen ein. Motivlage und tatsächliche Hintergründe entzögen sich einer Bewertung von außen fast zwingend. Erkennbare Zurückhaltung sei kein Zeichen von Verantwortungslosigkeit. Verzicht für sich könne wohlbedacht sein, auch um gerade das Kind belastenden Streit zu vermeiden. Maßstab sei wie immer das Wohl des Kindes, betont das AG. Zeigt ein Elternteil aber nachhaltig kein Interesse an der Entwicklung des Kindes und pflegt keinerlei Kontakt zum Kind, sondern überlässt dem anderen Elternteil die Sorge mit allen Entscheidungen alleine, so sei die Frage berechtigt, welche gemeinsame Sorge hier noch ausgeübt wird, sodass auf Antrag die Sorge auf den diese tatsächlich ausübenden Elternteil gegebenenfalls zu übertragen sei.

Vor diesem Maßstab sei die gemeinsame elterliche Sorge im vorliegenden Fall nicht aufzuheben, so das AG. Zwar sei der Antragstellerin zuzugestehen, dass sich die Kommunikation auf ein Mindestmaß beschränkt. Allerdings hätten sich auch keine Umstände ergeben, zu denen etwa der Antragsgegner für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht zur Verfügung gestanden hätte. Eine gewisse aktive Grundverantwortung übe der Antragsgegner zudem dadurch aus, dass er den Kindesunterhalt regelmäßig bezahle. Schließlich ergebe sich aus den vorgelegten Chatverlaufsprotokollen, dass der Antragsgegner grundsätzlich an dem Kind Interesse gezeigt habe.

Vor diesem Hintergrund könne von keiner gänzlichen Gleichgültigkeit ausgegangen werden, wenngleich auf die Tatsache, dass sich der Antragsgegner etwa zu den letzten Geburtstagen des Kindes nicht gemeldet habe, nachvollziehbar den Anschein einer Interessenlosigkeit gesetzt wurde. Weiter sei zu berücksichtigen, dass sich keine zu entscheidenden Konflikte der Eltern in wesentlichen Belangen abzeichneten, der Vater sich in jeder Hinsicht kooperationsbereit erklärt habe und Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung, die das Einvernehmen beider Eltern voraussetzen würden, nicht bevorstünden.

In der Vergangenheit hätten die Eltern eine Kindeswohl dienliche Entscheidung praktizieren können. Die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei auch vor dem Hintergrund, dass sich das Kind in der persönlichen Anhörung ausdrücklich für die Alleinsorge der Mutter ausgesprochen habe, geboten. Zwar sei der Wunsch des nunmehr 13-jährigen Kindes grundsätzlich anzuerkennen. Indes komme ihm nicht die alleinige oder entscheidende Bedeutung zu. Denn es sei im Rahmen der persönlichen Anhörung offenbar geworden, dass das Kind aufgrund der Erfahrungen der letzten beiden Jahre von dem Antragsgegner enttäuscht sei, diesen indes jedoch nicht gänzlich und dauerhaft ausschließen möchte. Eine Auseinandersetzung mit dem Vater und der Vater-Sohn-Beziehung entspreche auch entwicklungspsychologisch der weiteren persönlichen Entwicklung des Kindes am besten, sodass das Gericht insgesamt die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch vor diesem Hintergrund als kindeswohldienlicher ansehe.

Amtsgericht Frankenthal, PM vom 17.06.2021

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