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Ehescheidungen: EuGH soll Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" klären

25.01.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Frage zur Bestimmung des auf Ehescheidungen anwendbaren Rechts vorgelegt. Der EuGH möge den Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" klären.

Zwei deutsche Staatsangehörige schlossen 1989 die Ehe. Sie lebten zunächst in Berlin. Im Juni 2017 zogen sie mit nahezu ihrem gesamten Hausstand nach Schweden, wo der Ehemann an der Deutschen Botschaft Stockholm beschäftigt war. Ihren inländischen Wohnsitz meldeten sie im Juni 2017 ab. Ihre Mietwohnung in Berlin behielten sie aber bei. Als der Ehemann an die Deutsche Botschaft Moskau versetzt wurde, zog das Paar im September 2019 mit seinem Hausstand nach Moskau in eine Wohnung auf dem Compound der Botschaft. Die Beteiligten besitzen beide einen Diplomatenpass.

Im Januar 2020 reiste die Ehefrau nach Berlin, um sich dort einer Operation zu unterziehen. Im Februar 2021 kehrte sie nach Moskau zurück und wohnte in der Wohnung auf dem Compound der Botschaft. Nach Angaben des Ehemanns teilten die Beteiligten ihren beiden erwachsenen Kindern im März 2021 mit, dass sie sich scheiden lassen wollten. Die Ehefrau reiste Ende Mai 2021 ab und lebt seither in der Berliner Mietwohnung der Beteiligten.

Im Juli 2021 hat der Ehemann beim Amtsgericht (AG) einen Scheidungsantrag gestellt, dem die Ehefrau mit der Begründung entgegengetreten ist, dass eine Trennung der Ehegatten frühestens im Mai 2021 erfolgt sei. Das AG hat den Scheidungsantrag zurückgewiesen, weil das (nach deutschem Recht erforderliche) Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei und keine Gründe für eine Härtefallscheidung vorlägen.

Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Kammergericht die Ehe nach russischem Sachrecht geschieden: Das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht richte sich nach Artikel 8 Rom III-VO, weil keine Rechtswahl gemäß Artikel 5 Rom III-VO erfolgt sei. Vorliegend finde Artikel 8 lit. b Rom III-VO und damit das russische Sachrecht Anwendung, weil davon auszugehen sei, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Ehemanns in Moskau sei, während der dortige gewöhnliche Aufenthalt der Ehefrau erst mit ihrer Abreise nach Deutschland im Mai 2021 geendet habe, also weniger als ein Jahr vor Anrufung des AG. Ein Versorgungsausgleich sei in Ermangelung eines Antrags gemäß Artikel 17 Absatz 4 Satz 2 EGBGB im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht durchzuführen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Ehefrau, die eine Scheidung nach deutschem Sachrecht und zusammen mit dem Scheidungsausspruch eine im Scheidungsverbund zu treffende Entscheidung über den Versorgungsausgleich erstrebt.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH gefragt, nach welchen Kriterien der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Sinne des Artikels 8 lit. a und b Rom III-VO zu bestimmen ist. Insbesondere zu klären sei, ob die Entsendung als Diplomat die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Empfangsstaat beeinflusst oder einer solchen sogar entgegensteht. Weiter will der BGH wissen, ob die physische Präsenz der Ehegatten in einem Staat von gewisser Dauer gewesen sein muss, bevor davon ausgegangen werden kann, dass dort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet wurde, und ob die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein gewisses Maß an sozialer und familiärer Integration in dem betreffenden Staat voraussetzt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2023, XII ZB 117/23

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