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Corona-Steuergesetz: Von Experten positiv aufgenommen

24.06.2020

Eine Mehrheit der Sachverständigen hat das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz der Koalitionsfraktionen bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses am 22.06.2020 positiv beurteilt. Hingewiesen wurde aber auf technische Probleme bei der vorgesehenen Umsatzsteuersenkung.
So begrüßte Thomas Eigenthaler, der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, ausdrücklich die Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende und den geplanten Kinderbonus von 300 Euro pro Kind. Der Bonus sei nicht als allgemeine Konsumpauschale gedacht, sondern habe einen klaren kinderbezogenen Zweck, lobte Eigenthaler. Auch die Senkung des Umsatzsteuersatzes sei eine geeignete Maßnahme, um das Ziel, einen Konsumimpuls auszulösen, zu erreichen.
Mit einem Gesamtimpuls von rund 130 Milliarden Euro sei das Konjunkturpaket in seiner Größenordnung angemessen, lobte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Paket dürfte das Bruttoinlandsprodukt in 2020 und 2021 um jeweils 1,3 Prozentpunkte stützen. Die zeitweise Mehrwertsteuersenkung sowie andere Maßnahmen wie der Kinderbonus dürften den Rückgang des privaten Konsums um rund ein Drittel reduzieren. Die Mehrwertsteuersenkung wirkt nach Ansicht des DIW schneller und gezielter auf den privaten Verbrauch als Senkungen anderer Steuern und Abgaben oder Erhöhungen von Transfers.
Professor Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung sieht mehrere Effekte der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung. Wenn Unternehmen die Bruttopreise senkten, führe dies zu einem positiven Einkommenseffekt für die privaten Haushalte. Geschehe dies nicht, würden die Unternehmen durch die Steigerung der Gewinnmarge entlastet und Unternehmenspleiten sowie Arbeitsplatzverluste vermieden. Außerdem könnte die angekündigte Wiedererhöhung der Umsatzsteuer zum 01.01.2021 Konsumenten anregen, im zweiten Halbjahr 2020 mehr zu kaufen, um die folgenden Preiserhöhungen zu umgehen. Dies würde den gewünschten positiven Vorzieheffekt bewirken. Ob auf dem Automarkt ein solcher Effekt eintreten werde, ist nach Ansicht Dulliens allerdings ungewiss. In Deutschland würden zwei Drittel der neu zugelassenen Neuwagen gewerblich angemeldet. Es handele sich insbesondere um teurere Modelle. Für selbst umsatzsteuerpflichtige Selbstständige und Unternehmen komme es für Kaufentscheidungen jedoch auf den Nettokaufpreis ohne Umsatzsteuer an. Eine Reaktion auf Umsatzsteueränderungen sei damit von dieser Gruppe nicht zu erwarten. Bei Kleinwagen hingegen sei die Ersparnis durch die niedrigere Umsatzsteuer für deutliche Verhaltensänderungen möglicherweise nicht groß genug.
Aus Sicht der deutschen Wirtschaft werden mit dem Paket insbesondere mit den steuerlichen Maßnahmen wichtige Impulse gesetzt, damit die Unternehmen hierzulande wieder schnell Tritt fassen und die wirtschaftlichen Folgen der Corona Krise überwinden können.
Mit anderen Aspekten des Zweiten Corona Steuerhilfegesetzes befasste sich die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Sie begrüßte die vorgesehene Einführung der degressiven Abschreibung in Höhe von bis zu 25 Prozent, wies jedoch auf große Auswirkungen auf das Gewerbesteueraufkommen hin. Die Kommunen müssten von den unmittelbaren Auswirkungen der Steuermindereinnahmen temporär entlastet werden. Die vorgesehene Anhebung des Verlustrücktrags ist aus Sicht der deutschen Wirtschaft noch zu niedrig. Viele Unternehmen dürften deutlich höhere krisenbedingte Verluste erleiden, sodass eine vollständige Berücksichtigung dieser Verluste beim Verlustrücktrag geboten sei, so die Spitzenverbände der Wirtschaft. Ähnlich argumentierte der Vertreter der Bitburger-Brauereigruppe.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund würdigte zwar die Verlustrücktrags-Möglichkeit, wies aber zugleich darauf hin, das Verlustrückträge auch ein beliebtes Instrument zur Steuergestaltung darstellten. Daher begrüßte der DGB die Befristung dieser Maßnahme. Die degressive Abschreibung siehter als ein in Krisenzeiten bewährtes, auf der Angebotsseite ansetzendes Instrument, um die private Investitionstätigkeit anzuregen. Auch der Deutsche Steuerberaterverband begrüßte, dass die degressive Abschreibung wieder möglich werde. Wie andere Vertreter der Wirtschaft bedauerte er, dass die Maßnahme auf die Jahre 2020 und 2021 beschränkt werden soll.
In mehreren Stellungnahmen wurden Probleme in der kurzfristigen Senkung des Umsatzsteuersatzes thematisiert. Nach Ansicht des Bundesverbands der deutschen Industrie sehen sich die Unternehmen massiven administrativen Schwierigkeiten ausgesetzt, eine fristgerechte Systemumstellung zu erreichen. Für den kurzen Geltungszeitraum von sechs Monaten werde ein massiver Verwaltungsaufwand hervorgerufen. Von administrativen Herausforderungen sprach auch der Handelsverband Deutschland, der Erleichterungen bei der Umsetzung der das Änderungen forderte. Nach Ansicht des deutschen Fachverbandes für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik ist die eigentliche Steuerumstellung technisch beherrschbar. Allerdings sei nur ein Teil der aktuell in Deutschland betriebenen Kassensysteme zentral administrierbar beziehungsweise fernwartbar. Zusammen mit der sehr kurzen Vorlaufzeit führe das dazu, dass die Umstellung in vielen Unternehmen nicht pünktlich zum 01.07.2020 erfolgen werde.
Die Bundessteuerberaterkammer erklärte, sie stehe der temporären Absenkung der Umsatzsteuersätze äußerst kritisch gegenüber, weil die Kosten-Nutzen-Relation vor dem Hintergrund des sehr kurzen Anwendungszeitraums nicht gegeben sei. In der Praxis sei die geplante Senkung der Umsatzsteuersätze kaum administrierbar. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) forderte angesichts der Umstellungsprobleme großzügige Nichtbeanstandungsregelungen, die in das Gesetz aufgenommen werden müssten.
Betont kritisch fiel auch die Stellungnahme der Verbraucherzentrale (Bundesverband) aus. Die Mehrwertsteuersenkung sei gut gemeint, werde aber nur zu einer Teil-Entlastung auf der Nachfrageseite führen. Besser wäre es, die vorgesehenen Mittel in eine noch stärkere Senkung der EEG-Umlage auf den Strompreis zu stecken. Dies, ergänzt mit einem Kinderbonus von 600 statt 300 Euro, wäre daher wirkungsvoller als eine Mehrwertsteuersenkung.
Eine Sicherstellung, dass der Kinderbonus in Höhe von 300 Euro bei getrennten Eltern in dem Haushalt ankomme, in dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt habe und wo somit der größte Teil an Kosten und Ausgaben für das Kind entstehe, verlangte der Verband alleinerziehender Mütter und Väter. Für eine Nachjustierung sprach sich auch Brigitte Meyer-Behage, Direktorin des Amtsgerichts Brake (Niedersachsen), aus. Vom Kinderbonus komme im Trennungsfall nur die Hälfte in der Familie an, in der das Kind lebe, da der Bonus auf Unterhaltszahlungen angerechnet werde.
Deutscher Bundestag, PM vom 23.06.2020

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