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Buch «VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE»: Keine Geldentschädigung für Kohls Witwe

30.11.2021

Die Witwe des Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl erhält im Zusammenhang mit dem Buch "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" keine Geldentschädigung. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Zum Teil erfolgreich waren die Revisionen der Witwe Kohls und des beklagten Verlags indes hinsichtlich des sich mit den Unterlassungsansprüchen befassenden Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Köln.

Im Oktober 2014 erschien in einem Verlag des Drittbeklagten, ein vom Erstbeklagten, einem Historiker und Journalisten, zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Zweitbeklagten, ebenfalls Journalist, verfasstes Buch mit dem Titel "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE". Das Buch enthält viele angebliche Äußerungen des vormaligen Klägers, dem Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl. Hinsichtlich sämtlicher Äußerungen machen die Beklagten geltend, dass sie anlässlich von Gesprächen gefallen sind, die der Erstbeklagte mit Kohl zur Erstellung von dessen Memoiren geführt hatte.

Kohl hat geltend gemacht, das Buch verletze ihn in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er hat die Beklagten deshalb zum einen auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen (VI ZR 248/18) und zum anderen auf Zahlung einer Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens fünf Millionen Euro nebst Zinsen (VI ZR 258/18) in Anspruch genommen. Bei der nunmehrigen Klägerin handelt es sich um die Witwe und Alleinerbin des im Juni 2017 während der Berufungsverfahren verstorbenen Kohl. Sie führt den Rechtsstreit fort.

In Bezug auf den geltend gemachten Anspruch auf Geldentschädigung hat das Landgericht (LG) die drei Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von einer Million Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod Kohls erloschen sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist der Rechtsstreit ihm beziehungsweise seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nunmehr verkündeten, die Frage der Geldentschädigung betreffenden Urteils (Teilurteil) sind laut BGH deshalb nur die gegen den Erstbeklagten und gegen die Drittbeklagte geltend gemachten Ansprüche.

Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Annahme des OLG, der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei grundsätzlich nicht vererblich und deshalb jedenfalls mit dem Tod Kohls untergegangen, treffe zu. Die grundsätzliche Unvererblichkeit eines solchen Anspruchs entspreche der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Begründet werde sie mit der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs, bei der der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht; einem Verstorbenen könne aber keine Genugtuung mehr verschafft werden. Durchgreifende Gründe, diese Rechtsprechung aufzugeben, sah der BGH nicht. Auch hätten im Streitfall keine besonderen Umstände vorgelegen, die (ausnahmsweise) zur Vererblichkeit geführt hätten. Insbesondere werde der Geldentschädigungsanspruch nicht dadurch vererblich, dass er dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zugesprochen wird, wenn das entsprechende Urteil bei Eintritt des Todes – wie hier – noch nicht rechtskräftig ist.

Der Klage auf Unterlassung hatte das LG stattgegeben. Hinsichtlich des Erstbeklagten ist es davon ausgegangen, dieser sei bereits aufgrund einer mit Kohl anlässlich der "Memoirengespräche" konkludent geschlossenen Verschwiegenheitsvereinbarung zur beantragten Unterlassung verpflichtet. Gegenüber den anderen beiden Beklagten ergebe sich der Unterlassungsanspruch daraus, dass sie Kohl mit der Veröffentlichung und Verbreitung der betroffenen Textpassagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hätten.

Die Berufung des Erstbeklagten hat das OLG zurückgewiesen. Auch nach Ansicht des OLG ist der Erstbeklagte aufgrund einer mit Kohl konkludent getroffenen Vereinbarung zur Verschwiegenheit über sämtliche im Rahmen der Memoirengespräche erlangte Informationen verpflichtet. Diese Verpflichtung dauere fort und könne auch nach dem Tod Kohls durch die Klägerin geltend gemacht werden. Die Revision hat das OLG insoweit nicht zugelassen. Die vom Erstbeklagten dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH bereits am 23.03.2021 zurückgewiesen. Insoweit war das Verfahren bereits vor Verkündung des aktuellen Urteils abgeschlossen.

Die Berufungen des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten hatten in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Nach Ansicht des OLG trifft diese beiden Beklagten zwar eine Unterlassungsverpflichtung wegen Verletzung des – nun postmortalen – Persönlichkeitsrechts des vormaligen Klägers. Diese Unterlassungsverpflichtung sei aber auf die wörtliche Wiedergabe und Verbreitung (angeblich) wörtlicher Zitate Kohls beschränkt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des LG-Urteils; der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte begehren mit ihren Revisionen weiterhin die Abweisung der Klage. Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist auch dieses Verfahren ihm beziehungsweise seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nun verkündeten Urteils (Teilurteil) ist deshalb alleine noch der gegen die Drittbeklagte gerichtete Unterlassungsanspruch.

Die Revisionen beider Parteien hatten teilweise Erfolg. Der von der Klägerin geltend gemachte deliktische Unterlassungsanspruch gegenüber der Drittbeklagten, mit der der Kohl anders als mit dem Erstbeklagten keine (konkludente) Verschwiegenheitsvereinbarung über den Tod hinaus getroffen hatte, beschränkt sich laut BGH auf die Veröffentlichung und Verbreitung von im Buch vorhandenen Fehlzitaten. Nur insoweit verletzten Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Buchpassagen das von der Klägerin wahrgenommene postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes.

Soweit keine Fehlzitate vorliegen, bestehe keine Unterlassungspflicht der Drittbeklagten. Eine solche folge – anders als das OLG meinte – insbesondere nicht daraus, dass Kohl einer Veröffentlichung einiger Aussagen schon im Rahmen der Memoirengespräche ausdrücklich widersprochen hatte ("Sperrvermerkszitate"), noch daraus, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate eine unzulässige "bildnisgleiche" beziehungsweise "intensive" Verdinglichung seiner Person darstellte. Soweit sich die Zitate auf der Grundlage der Feststellungen des OLG abschließend als Fehlzitate einordnen lassen, hat der BGH deshalb die Revision der Drittbeklagten zurückgewiesen; soweit sie sich abschließend als zutreffend beurteilen lassen, hat er das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Soweit sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das jeweilige Zitat richtig oder falsch ist, hat der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen, damit dieses die noch fehlenden Feststellungen treffe.

Die Revision der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das OLG die Unterlassungsverpflichtung der Drittbeklagten auch hinsichtlich der (möglichen) Fehlzitate auf die wörtliche Wiedergabe der im Buch als wörtliche Zitate gekennzeichneten Aussagen beschränkt hatte. Denn das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen verletzende Fehlzitate dürften auch nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden, so der BGH.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 29.11.2021, VI ZR 258/18 und VI ZR 248/18

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