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Behindertenpauschbeträge: Experten begrüßen Verdoppelung
In einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses haben alle Sachverständigen am 30.09.2020 die von der Bundesregierung geplante Verdoppelung der steuerlichen Behindertenpauschbeträge (BT-Drs. 19/21985) gelobt. Die Pauschbeträge sind seit 1975 nahezu unverändert geblieben.
"Nach mehr als vier beziehungsweise drei Jahrzehnten ist der Entwurf als ein überfälliger Akt steuerlicher Gerechtigkeit zu bewerten", erklärte vor diesem Hintergrund die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG). Der Sozialverband Deutschland sagte, mehr als sieben Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland würden nicht durch Einrichtungen oder besondere Dienste der Behindertenhilfe unterstützt. Für sie sei die Anhebung eine wirkliche Hilfe im Alltag.
Der Gesetzentwurf sieht eine "Verdoppelung der Behinderten-Pauschbeträge inklusive Aktualisierung der Systematik" vor. So soll der Betrag bei einem Grad der Behinderung von 50 Prozent auf 1.140 Euro steigen, bei 100 Prozent auf 2.840 Euro. Die Erhöhung vermeide in vielen Fällen den aufwändigen Einzelnachweis von Aufwendungen, schreibt die Bundesregierung zur Begründung. Damit könnten die Pauschbeträge ihre Vereinfachungsfunktion auch zukünftig erfüllen, heißt es weiter. Zudem soll ein behinderungsbedingter Fahrkosten-Pauschbetrag eingeführt werden. Bei einem Grad der Behinderung kleiner als 50 soll künftig auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet werden.
Der seit 1990 unveränderte Pflege-Pauschbetrag bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5 soll erhöht und für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 neu eingeführt werden. Der Pflege-Pauschbetrag soll künftig "auch unabhängig vom Vorliegen des Kriteriums 'hilflos' bei der zu pflegenden Person" geltend gemacht werden können, führt die Bundesregierung aus.
Änderungsbedarf sieht die DSTG bei der behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale, die grundsätzlich positiv bewertet wird. Die Pauschale sei allerdings kein Pauschbetrag und unterfalle als normale außergewöhnliche Belastung einer Kürzung durch die zumutbare Belastung. Das dürfte in vielen Fällen de facto zu einem Abzugsverbot führen. Bei einer Reihe von Steuerzahlern dürfte der Eindruck einer "Scheinvergünstigung" entstehen, erwartet die Deutsche Steuergewerkschaft.
Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine machte die Übertragbarkeit des Pauschbetrages zum Thema. Nach geltendem Recht könne ein Pauschbetrag für behinderte Menschen vom Kind auf die Eltern übertragen werden, wenn der Pauschbetrag vom Kind nicht selbst in Anspruch genommen werde. Vorgeschlagen wurde eine Erweiterung dahingehend, dass ein Pauschbetrag der Eltern auch von deren Kindern geltend gemacht werden könne, wenn sie ihre Eltern persönlich betreuten.
Der Bund der Steuerzahler wies darauf hin, dass die Anpassung von Pauschbeträgen grundsätzlich regelmäßig erfolgen sollte, um ihrer Vereinfachungsfunktion gerecht zu werden, damit es nicht wieder 45 Jahre dauere, bis es zur nächsten Anhebung komme. Zwar werde nun die Anhebung der Pauschbeträge auf ein angemessenes Niveau nachgeholt. Dies ersetze aber nicht die Überprüfung und die Anpassung in den nächsten Jahren.
Auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe schlug eine gesetzlich verankerte Dynamisierung vor. So könnte der Behindertenpauschbetrag auch in Zukunft seinen Zweck erfüllen. Vom deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband hieß es dazu in dessen Stellungnahme, wäre seit 1975 eine jährliche Anpassung an die Inflationsrate vorgenommen worden, wären die Beträge heute mehr als doppelt so hoch. Es handele sich bei Pauschbeträgen gerade nicht um Steuerentlastungen, sondern schlicht um eine Vereinfachung im Steuerrecht.
Der deutsche Gehörlosen-Bund wies darauf hin, dass in dem Gesetzentwurf das für taubblinde Menschen vergebene Merkzeichen TBI fehle. Wegen ihres hohen Hilfebedarfs sei die Gruppe der taubblinden Menschen aber ebenso auf den für bestimmte Betroffenengruppen vorgesehenen erhöhten Pauschbetrag angewiesen, wenn nicht sogar auf einen noch höheren Betrag. Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Behinderten, nannte die Forderung nach einer steuerrechtlichen Gleichberechtigung taubblinder und blinder Menschen in seiner Stellungnahme berechtigt.
Der Sozialverband VdK begrüßte, dass der bisherige Pflegepauschbetrag knapp verdoppelt werde und auch für die Pflege einer Person mit Pflegegrad 2 und 3 ein Pflegepauschbetrag eingeführt werde. Gerade in der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass für viele Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen zahlreiche ambulante Unterstützungsstrukturen und andere Hilfen weggebrochen seien.
Deutscher Bundestag, PM vom 30.09.2020