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Bahnmitarbeiter beobachtet Gleissuizid: PTBS als Unfallfolge anzuerkennen

07.06.2022

Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eines Bahnmitarbeiters, die sich als Folge der Beobachtung eines Gleissuizids darstellt, ist von der Unfallversicherung als Unfallfolge anzuerkennen. Dies stellt das Landessozialgericht (LSG) Hessen klar.

Ein 52-jähriger Kundendienstmitarbeiter der Deutschen Bahn AG erteilte am Bahnsteig im Düsseldorfer Hauptbahnhof einem Mann Auskunft, der sich nach einem Zug erkundigte. Der Mann stieg jedoch nicht in den Zug ein, sondern rannte los. Nachdem der angefahrene Zug gestoppt hatte, fand der Mitarbeiter den zweigeteilten Leichnam.

Nach einer kurzen Arbeitsunfähigkeit übte der Mitarbeiter seine Tätigkeit zunächst weiter aus, litt aber an Flash-backs, Albträumen und Schlafstörungen. Die ihn später behandelnden Fachärzte und Psychotherapeuten diagnostizierten eine posttraumatische Belastungsstörung. Der mittlerweile voll erwerbsgeminderte Versicherte beantragte gegenüber der Unfallversicherung Bund und Bahn die Anerkennung als Arbeitsunfall.

Die Unfallversicherung stellte als Unfallfolge lediglich eine vorübergehende akute Belastungsreaktion fest. Die aktuellen Beschwerden des Klägers seien unfallunabhängig. Gegen eine PTBS als Folge des Unfalls spreche, dass der Versicherte zunächst lediglich zwei Wochen arbeitsunfähig gewesen sei und danach weitergearbeitet habe. Eine fortlaufende Traumafolgestörung hätten die eingeholten Gutachten nicht ergeben. Auch habe der Versicherte weitere Schicksalsschläge erlitten, die ebenfalls als Ursachen zu berücksichtigen seien.

Der Versicherte klagte und beantragte die Anerkennung einer PTBS als weitere Unfallfolge. Er befinde sich wegen der andauernden Erkrankung in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung.

Das LSG Darmstadt verurteilte die Unfallversicherung dazu, die PTBS als weitere Unfallfolge anzuerkennen. Die Diagnosekriterien einer PTBS seien erfüllt. Das Unfallereignis sei ein objektiv schwerwiegendes Ereignis. Flash-Backs und Albträume seien bestätigt. Auch vermeide der Versicherte inzwischen Reize, die mit dem traumatischen Erlebnis verbunden seien, insbesondere Bahnhöfe und Bahnsteige.

Die PTBS hätte sich ohne das Unfallereignis nicht entwickelt. Den konkurrierenden Ursachen – Tod des Bruders und weitere Schicksalsschläge – komme keine überragende Bedeutung zu, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt habe. Insbesondere sei der Bruder des Versicherten erst ein Jahr nach dem Arbeitsunfall gestorben. Danach habe sich das psychische Befinden des Versicherten nicht verschlechtert, sodass auch keine Verschiebung der Wesensgrundlage belegt sei.

Mit dem Erleben des Gleissuizids habe sich ein vom Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung umfasstes Risiko verwirklicht, das die Entstehung der PTBS derart wesentlich geprägt hat, dass die übrigen in Persönlichkeit und Lebensgeschichte des Klägers begründeten Mitursachen als nicht überragend erschienen.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Landessozialgericht Hessen, L 3 U 146/19

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