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Antrag auf Steuerbefreiung eines Sanierungsertrags in Altfällen: Ist kein rückwirkendes Ereignis

06.04.2022

Der Antrag auf Steuerbefreiung eines Sanierungsertrags in Altfällen (Schuldenerlass vor dem 09.02.2017) ist kein rückwirkendes Ereignis. Dies hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg entschieden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da Revision eingelegt wurde (IV R 2/22).

Die Klägerin ist eine gewerblich tätige Kommanditgesellschaft. 2009 hatte eine Gläubigerin auf eine Forderung gegen sie verzichtet. In dem bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid 2009 wurde kein Sanierungsgewinn berücksichtigt; nachrichtlich gab das beklagte Finanzamt im Gewinnfeststellungsbescheid an, dass ein Sanierungsgewinn in Höhe von null Euro enthalten sei. Auch der Gewerbesteuermessbescheid 2009 berücksichtigte keinen Sanierungsgewinn aus dem Forderungsverzicht. Die Anträge des Kommanditisten der Klägerin auf Stundung sowie Erlass der Einkommensteuer 2009 aufgrund eines Sanierungsgewinns blieben erfolglos.

Nach Ablösung des Sanierungserlasses durch die Einführung gesetzlicher Regelungen über die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen für Zwecke der Einkommensteuer sowie dessen Berücksichtigung beim Gewerbesteuermessbetrag gemäß §§ 3a, 52 Absatz 4a Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) und § 7b, § 36c Absatz 2c Satz 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG) – jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 – stellte die Klägerin am 14.11.2019 Anträge auf Feststellung beziehungsweise Berücksichtigung eines Sanierungsertrags. Das Finanzamt lehnte die Anträge ab, weil die Festsetzungs- beziehungsweise Feststellungsfristen für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2009, den Gewerbesteuermessbetrag 2009 und die Einkommensteuer 2009 bereits abgelaufen seien. Hiergegen erhob die Klägerin Klage.

Das FG wies die Verpflichtungsklage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erlass eines Feststellungsbescheids und Änderung des Gewerbesteuermessbescheids zur Berücksichtigung eines Sanierungsertrags.

Die allgemeine vierjährige Feststellungsfrist für die gesonderte und einheitliche Feststellung eines Sanierungsertrags für 2009 sei im Zeitpunkt der Antragstellung am 14.11.2019 bereits abgelaufen gewesen. Ob eine Pflicht zur Erklärung eines Sanierungsertrags bestehe oder sich die Erklärungspflicht nach § 181 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) auch auf den Sanierungsertrag nach § 3a EStG erstrecke, könne dahinstehen. Selbst wenn eine Erklärungspflicht bestanden hätte, aber die Abgabe der allgemeinen Feststellungserklärung im Jahr 2009 nicht auch als eine (negative) Erklärung des Sanierungsertrags nach § 3a EStG gelten würde, sei die Feststellungsfrist – mangels Abgabe einer Feststellungserklärung – spätestens am 31.12.2016 abgelaufen gewesen.

Mit der Antragstellung habe auch keine neue Feststellungsfrist nach § 175 Absatz 1 Satz 2 AO begonnen. Die Ausübung des Antrags nach § 52 Absatz 4a Satz 3 EStG stelle kein rückwirkendes Ereignis dar. Durch § 52 Absatz 4a Satz 3 EStG werde dem Steuerpflichtigen zwar das Wahlrecht eingeräumt, § 3a EStG über seinen originären zeitlichen Anwendungsbereich (Neufälle mit Schuldenerlass nach dem 08.02.2017) hinaus anzuwenden. Das Wahlrecht stelle aber nicht selbst ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands dar, sondern sei lediglich formelle Voraussetzung der rückwirkenden Anwendung des § 3a EStG auf den (Alt-)Fall. § 52 Absatz 4a EStG sei nicht Teil des gesetzlichen Steuertatbestands des § 3a EStG, sondern regele als Übergangsvorschrift lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des § 3a EStG. Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 3a EStG auch für Sanierungserträge in Altfällen durch § 52 Absatz 4a Satz 3 EStG habe zu einer Gleichbehandlung mit den Neufällen, aber nicht zu einer Besserstellung der Altfälle führen sollen.

Der Ablauf der Feststellungsfrist für einen Sanierungsertrag sei auch nicht im Hinblick auf die von der Feststellung abhängige Einkommensteuer 2009 des Kommanditisten unbeachtlich. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2009 des Kommanditisten sei im Zeitpunkt der Antragstellung am 14.11.2019 offensichtlich bereits abgelaufen gewesen. Dessen Billigkeitsanträge und gegen deren Ablehnung erhobene Rechtsbehelfe könnten den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen.

Die Klägerin und ihr Gesellschafter hätten zwar über mehrere Jahre sowohl im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung als auch auf Ebene der Einkommensteuerfestsetzung beziehungsweise -erhebung versucht, eine steuerliche Begünstigung des (vermeintlichen) Sanierungsertrags zu erreichen, und seien insoweit (auch in formaler Hinsicht) an der wohl undurchsichtigen (Verwaltungs-)Rechtslage gescheitert. Die nicht eindeutige Rechtslage hätte aber auf der Verwaltungspraxis beruht, die nach der Rechtsprechung des Bundefinanzhofs ohnehin wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung rechtswidrig gewesen sei und daher keinen Billigkeitserlass hätte rechtfertigen können. Aus dem Sanierungserlass und den vorangegangenen Billigkeitsverfahren der Klägerin und des Gesellschafters folge somit auch keine schutzwürdige verfahrensrechtliche Stellung im vorliegenden, nunmehr auf gesetzlicher Grundlage stehenden Verfahren.

Ein etwaiger Sanierungsertrag sei gemäß § 7b Absatz 1 GewStG in Verbindung mit § 3a EStG unmittelbar bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung finde nicht statt, so das FG. Bei der Festsetzung von Steuermessbeträgen seien die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß anzuwenden (§ 184 Absatz 1 Satz 3 AO). Zur Änderung des gegen die Klägerin bereits erlassenen Gewerbesteuermessbescheids 2009 bedürfte es daher einer Befugnis durch eine Änderungsvorschrift. Daran fehle es. Abgesehen davon stünde auch der Eintritt der Festsetzungsverjährung einer Änderung des Gewerbesteuermessbescheids 2009 entgegen.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2021, 8 K 1367/20, nicht rechtskräftig

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