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Widerrechtliches Verbringen eines Kindes: Möglichkeit der Verweisung des Sorgerechtsstreits

19.07.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/18398

Ist ein Kind widerrechtlich in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht worden, kann das Gericht des Mitgliedstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, trotz Zuständigkeit für die Entscheidung über das Sorgerecht in Ausnahmefällen die Verweisung des Falls an das Gericht des Mitgliedstaats beantragen, in den das Kind verbracht wurde. Das Kind müsse aber eine besondere Bindung zu dem anderen Mitgliedstaat haben, so der Europäische Gerichtshof (EuGH). Das Gericht dieses anderen Mitgliedstaats müsse den Fall besser beurteilen können und die Verweisung dem Wohl des Kindes entsprechen.

Ein slowakisches Paar, das mit seinen beiden Kindern in Österreich wohnte, streitet sich nach seiner Trennung über die Obsorge für die Kinder und deren Wohnort. Da die Mutter die Kinder zu sich in die Slowakei gebracht hatte, beantragte der Vater nach dem Haager Übereinkommen über die internationale Kindesentführung bei einem slowakischen Gericht die Rückführung der Kinder zu ihm nach Österreich. Der Vater beantragte zudem bei einem österreichischen Gericht die Übertragung der alleinigen Obsorge an ihn. Die Mutter der Kinder beantragte bei diesem österreichischen Gericht, dass es ein slowakisches Gericht ersuchen möge, sich hinsichtlich des Sorgerechts für die Kinder für zuständig zu erklären.

Das österreichische Gericht gab diesem Antrag statt, wogegen der Vater Rekurs erhob. Vor diesem Hintergrund hat das österreichische Rekursgericht den EuGH ersucht, die Brüssel-IIa-Verordnung auszulegen, die auf EU-Ebene Zuständigkeitsregeln für Sorgerechtsangelegenheiten festlegt.

Nach dieser Verordnung sind für die Entscheidung eines Sorgerechtsstreits grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Aufgrund ihrer räumlichen Nähe seien diese Gerichte nämlich im Allgemeinen am besten in der Lage, die zum Wohl des Kindes zu erlassenden Maßnahmen zu beurteilen, erläutert der EuGH. Bei einem widerrechtlichen Verbringen des Kindes blieben jedoch grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies solle von einem derartigen Verbringen abschrecken.

In Ausnahmefällen könne das Gericht eines Mitgliedstaats, das in der Hauptsache für die Entscheidung über das Sorgerecht zuständig ist, gemäß dieser Verordnung die Verweisung des Falls an ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats beantragen, zu dem das Kind eine besondere Bindung hat, wenn dieses Gericht den Fall besser beurteilen kann und dies dem Wohl des Kindes entspricht.

Im vorliegenden Fall stellt sich laut EuGH die Frage, ob diese Möglichkeit auch dann besteht, wenn das Kind widerrechtlich verbracht wurde. Der EuGH bejaht dies. Das Gericht eines Mitgliedstaats, das in der Hauptsache für die Entscheidung über das Sorgerecht zuständig ist, da das Kind unmittelbar, bevor es von einem Elternteil in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurde, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, könne in Ausnahmefällen die Verweisung des Falls an ein Gericht dieses anderen Mitgliedstaats beantragen. Dies setze voraus, dass das Kind eine besondere Bindung zu diesem anderen Mitgliedstaat hat, sodass das andere Gericht nach Ansicht des zuständigen Gerichts den Fall besser beurteilen kann und die Verweisung dem Wohl des Kindes entspricht. Diese kumulativen Voraussetzungen seien abschließend, so der EuGH.

Bei der Prüfung der letzten beiden Voraussetzungen müsse das zuständige Gericht jedoch berücksichtigen, ob gemäß dem Haager Übereinkommen über die internationale Kindesentführung ein Verfahren zur Rückgabe dieses Kindes anhängig ist, das in dem Mitgliedstaat, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde, noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Das zuständige Gericht habe dabei gemäß den Bestimmungen des Haager Übereinkommens insbesondere zu berücksichtigen, dass es den Gerichten des anderen Mitgliedstaats so lange unmöglich ist, eine dem Kindeswohl entsprechende Sachentscheidung über das Sorgerecht zu treffen, bis das mit dem Antrag auf Rückgabe des Kindes befasste Gericht dieses Mitgliedstaats zumindest über diesen Antrag entschieden hat.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom13.07.2023, C-87/22

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