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Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Erfassung exakten Zeitraums bis Ende der Kündigungsfrist erschüttert Beweiswert nicht immer

05.07.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/18124

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird nicht erschüttert, wenn ein Arbeitnehmer sich krankmeldet und sodann vom Arbeitgeber gekündigt wird. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist bestehen bleibt, wie das Arbeitsgericht (ArbG) Hildesheim und das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen entschieden haben.

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis. Der Kläger war vom 16.03.2021 bis 31.05.2022 Arbeitnehmer der Beklagten, die ihn zuletzt am 21.04.2022 beschäftigte. Er meldete sich am 02.05.2022 krank und legte nachfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines behandelnden Arztes für den Zeitraum ab dem 02.05.2022 bis zum 31.05.2022 mit unterschiedlichen Diagnosen vor. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02.05.2022, dem Kläger zugegangen am 03.05.2022, ordentlich zum 31.05.2022 und verweigerte wegen der Koinzidenz der Krankschreibung und der Kündigung die Entgeltfortzahlung.

Das ArbG Hildesheim gab der Klage mit der Begründung statt, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht durch die Arbeitgeberin erschüttert worden sei. Die hiergegen eingelegte Berufung der Arbeitgeberin beim LAG Niedersachsen blieb erfolglos.

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne auch dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer sich im Fall des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend – "postwendend" – krankmeldet beziehungsweise eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht, so das LAG. Dies gelte insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist – auch durch mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – abgedeckt werde. Melde sich zunächst der Arbeitnehmer krank und erhalte er erst sodann eine arbeitgeberseitige Kündigung, fehle es an dem für die Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendigen Kausalzusammenhang.

Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesundet und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt, erschüttere in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht.

Die zugelassene Revision ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 5 AZR 137/23 anhängig.

Arbeitsgericht Hildesheim, Urteil vom 26.10.2022, 2 Ca 190/22 sowie Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 08.03.2023, 8 Sa 859/22, nicht rechtskräftig

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