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Fast jede siebte Kommune erhöht 2020 die Grundsteuer

Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen e. V. / Presseinformation 16.12.2020, Jan Vermöhlen

Bund der Steuerzahler: „Wohnkosten im Blick behalten“

Auch im Jahr 2020 drehten Niedersachsens Städte und Gemeinden wieder an der Grundsteuerschraube: Fast jede siebte Kommune hat in diesem Jahr den Hebesatz auf die Grundsteuer B angehoben, seit dem Jahr 2016 sogar fast jede zweite. Der Trend, die Konsolidierung kommunaler Haushalte über Steuererhöhungen voranzutreiben, setzt sich damit ungehindert fort. Der Verband fürchtet, dass sich diese Entwicklung wegen kommunaler Finanzierungsdefizite im Zuge der Corona-Krise noch weiter verstärken könnte. „Wir raten Mietern und Wohneigentümern, die Steuern auf das Wohnen genau im Blick zu behalten“, erklärt BdSt-Landesvorsitzender Bernhard Zentgraf. Neben der Pandemie könnte nämlich auch die Neubewertung der Immobilien im Zuge der anstehenden Grundsteuerreform zu versteckten Mehrbelastungen für die Bürger führen. „Die Möglichkeit der Kontrolle durch die Bürger erfordert eine einfache, verständliche und transparente Grundsteuerberechnung, die sich möglichst ausschließlich an Grundstücks- und Gebäudeflächen orientiert“, erklärt Zentgraf. Das wertabhängige Bundes-Modell sei hingegen viel zu komplex, die Berechnung ohne einschlägige Fachkenntnisse kaum nachprüfbar und deshalb für Niedersachsen nicht geeignet.

Nach der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer B mit niedersachsenweit über 1,4 Mrd. Euro (2019) die aufkommensstärkste Realsteuer. Die Grundsteuer B wird auf alle bebaubaren und nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke erhoben und ist – anders als die Gewerbesteuer – kaum anfällig für konjunkturelle Schwankungen. Ihr Aufkommen ist in Niedersachsen seit dem Jahr 2000 stetig um durchschnittlich 2,6 Prozent pro Jahr gewachsen. Die Aufkommenshöhe hängt in erster Linie von den Grundsteuerhebesätzen der Kommunen ab. Diese können durch die Wahl des Hebesatzes die ihnen zufließenden Grundsteuereinnahmen direkt beeinflussen. Diese Hebesätze variieren zwischen den einzelnen Kommunen erheblich.

Gerade einmal sechs Kommunen bleiben mit ihrem Hebesatz unterhalb der Grenze von 300 Prozent (%). Auffällig: Mit Lohne (275 %), Vechta (280 %), Bakum (290 %) und Visbek (295 %) liegen gleich vier davon im Landkreis Vechta. Wenig überraschend, schneidet der LK Vechta mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 308 Prozent im Landkreis-Vergleich damit am günstigsten ab; mit 545 Prozent schneidet die Region Hannover mit Abstand am teuersten ab. Es folgen die Landkreise Osterholz (482 %) und Hameln-Pyrmont (481 %). Nach Vechta werden in den Landkreisen Emsland (334 %), Ammerland (338 %) Cloppenburg (343 %) und Leer (354 %) durchschnittlich die geringsten Hebesätze erhoben – gleich vier weitere Kreise aus der Region Weser-Ems. Hier liegen die Grundsteuerhebesätze deutlich geringer als im Rest des Landes, wie ein Blick auf die Durchschnittshebesätze in den statistischen Regionen belegt.

Den landesweit günstigsten kommunalen Hebesatz auf die Grundsteuer B erhebt mit 250 Prozent weiterhin die Gemeinde Gorleben im LK Lüchow-Dannenberg. Auch Prinzhöfte (LK Oldenburg) bleibt mit 280 Prozent unter der 300er-Marke.

Während sich die Landeshauptstadt Hannover in den vergangenen Jahren stets an die teure Spitze des Vergleichs setzte, rutscht sie in diesem Jahr, gemeinsam mit den Städten Laatzen, Seelze, Hameln, Hitzacker, Wilhelmshaven, den beiden Inselgemeinden Baltrum und Spiekeroog sowie der Gemeinde Dettum (alle 600 %) auf den zweitteuersten Platz ab. Verantwortlich hierfür ist die enorme Anhebung des Hebesatzes in der Gemeinde Ritterhude (LK Osterholz) von 450 auf 640 Prozent.

Mit der Anhebung um 190 Prozentpunkte (Pp) nimmt Ritterhude gleichzeitig den traurigen Spitzenplatz der höchsten Hebesatz-Änderungen 2020 ein. Es folgen Oyten (LK Verden, +120 Pp), Bremervörde (LK Rotenburg, + 110 Pp), sowie Estorf (LK Nienburg) und Nottensdorf (LK Stade) mit einem Plus von jeweils 100 Prozentpunkten. Die Gemeinden Ribbesbüttel und Wasbüttel (beide LK Gifhorn) und Groß Ippener (LK Oldenburg) erhöhten um 90 Prozentpunkte.

Wie die Gemeinde Ritterhude rechtfertigen viele Kommunen die Anhebung der Grundsteuer-Hebesätze mit der Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung: Rund 1/3 der Anhebungen um mindestens 50 Prozentpunkte ist direkt oder indirekt auf die Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeiträge zurückzuführen. Bei Anhebungen um mindestens 70  Prozentpunkte steigt der Anteil sogar auf über die Hälfte. Der Bund der Steuerzahler begrüßt den Wegfall der Straßenausbauabgabe. Die Kompensation über die Grundsteuer sei aber der falsche Weg. Die Mittel müssten durch Einsparungen in den allgemeinen Haushalten aufgebracht werden.

Lediglich eine einzige Gemeinde, der Flecken Ottersberg im LK Verden, senkte im Jahr 2020 die Grundsteuer. Unterm Strich steht hier eine Senkung um 30 Prozentpunkte, von 400 auf 370 Prozent. Damit liegt die Gemeinde mit circa 13.000 Einwohnern nunmehr rund 30 Prozentpunkte unterhalb des Größenklassen-Durchschnitts der Gemeinden mit 10.000 bis 20.000 Einwohnern (400 %).

Kleinere Städte und Gemeinden erheben tendenziell geringere Hebesätze. In Gemeinden mit bis zu 2.000 Einwohnern liegt der mittlere Hebesatz bei 387 bzw. 386 Prozent. Städte zwischen 3.000 und 30.000 Einwohnern erheben im Schnitt rund 400 Prozent, Städte mit 30.000 bis 50.000 Einwohnern bereits 423 Prozent. In Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern werden im durchschnittlich bereits 493 Prozent fällig. In Großstädten mit über 100.000 Einwohnern fallen im Mittel 532 Prozent an – mit einem Hebesatz von 445 Prozent stellt die Stadt Oldenburg hier die erfreuliche Ausnahme dar.

Unabhängig von der Größe der Städte und Gemeinden beobachtet der Bund der Steuerzahler einen ungebrochenen Trend zu steigenden Grundsteuer-Hebesätzen. Dies belegt ein Blick auf die Entwicklung des gewogenen Durchschnittshebesatzes. In den letzten 10 Jahren ist dieser durchschnittlich um 5,33 Prozentpunkte jährlich gewachsen. Einerseits verdeutlicht dies die jährlich steigende Steuerbelastung der Bürger, andererseits drückt sich hierin ein Fehlanreiz des Kommunalen Finanzausgleichs aus: Gemeinden, deren örtlicher Hebesatz unter dem gewogenen Durchschnittshebesatz liegt, werden bei der Zuteilung der Schlüsselzuweisungen im Finanzausgleich systematisch benachteiligt; sie erhalten zu geringe Finanzzuweisungen des Landes. Die betroffenen Gemeinden heben ihre Hebesätze in der Folgezeit entsprechend an. Hierdurch erhöht sich wiederum der Durchschnittshebesatz und weitere Kommunen heben ihre Sätze an – es entsteht eine Anhebungsspirale. Da Kommunen offenbar zunehmend dazu neigen, die Straßenausbaubeiträge auf Kosten erhöhter Grundsteuerhebesätze abzuschaffen, ist damit zu rechnen, dass sich diese Entwicklung künftig noch verstärkt. Damit sich die Spirale nicht unaufhörlich weiterdreht, muss das Land dringend nachbessern, etwa durch die Anwendung fixierter Nivellierungshebesätze im Finanzausgleich. Einen entsprechenden Reformvorschlag hat der Bund der Steuerzahler den Fraktionen des Niedersächsischen Landtags bereits 2018 vorgelegt.

 

Hinweise für die Redaktionen:

  • Rechenexempel: Finanzielle Auswirkungen einer Anhebung des Hebesatzes: Bei einem Einheitswert von 40.000 Euro (für ein freistehendes Einfamilienhaus in ländlicher Gegend) geht mit einer Anhebung um 100 Prozentpunkte schon eine jährliche Mehrbelastung von 105,49 Euro einher. Bei einer Anhebung wie in Ritterhude (+190 Pp) sind das jährlich schon 200,43 Euro– eine Mehrbelastung von 42 Prozent!
  • Weitere Auswertungen sowie ein ausführliches Grundsteuer-Berechnungsbeispiel entnehmen Sie bitte dem Anhang.
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