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Werbung mit Begriff "klimaneutral": Setzt konkrete Erläuterung der Bedeutung des Begriffs in Werbung selbst voraus
Die Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff (hier: "klimaneutral") ist regelmäßig nur dann zulässig, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall des Süßwarenherstellers Katjes klargestellt.
Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Katjes hatte seine Produkte aus Fruchtgummi und Lakritz in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage beworben: "Seit 2021 produziert [Katjes] alle Produkte klimaneutral" und einem Logo, das den Begriff "klimaneutral" zeigt und auf die Internetseite eines "ClimatePartner" hinweist. Der Herstellungsprozess der Katjes-Produkte läuft nicht CO2-neutral ab. Das Unternehmen unterstützt indes über den "ClimatePartner" Klimaschutzprojekte.
Die Wettbewerbszentrale hält die Werbeaussage für irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden diese so, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Zumindest müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde. Sie nimmt die Katjes unter anderem auf Unterlassung in Anspruch.
Hiermit hatte die Wettbewerbszentrale in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht war der Auffassung, ihr stehe kein Unterlassungsanspruch wegen Irreführung zu. Die Leser der Fachzeitung verstünden den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen, da ihnen bekannt sei, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Ein Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht wegen Vorenthaltens der Information, auf welche Weise die "Klimaneutralität" des beworbenen Produkts erreicht werde. Zwar sei diese Information wesentlich. Die erforderliche Aufklärung über Art und Umfang etwaiger Kompensationen lasse sich aber über die Internetseite des Kooperationspartners erlangen, die in der Werbeanzeige angegeben sei und mittels eines in der Werbeanzeige abgedruckten QR-Code aufgerufen werden könne. Dies sei Lesern der Zeitung auch zumutbar.
Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hat Katjes zur Unterlassung der Werbung verurteilt. Die beanstandete Werbung sei irreführend. Sie sei mehrdeutig, weil der Begriff "klimaneutral" nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von den Lesern der Fachzeitung – nicht anders als von Verbrauchern – sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden kann.
Das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung – ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung – eine Irreführungsgefahr besonders groß ist und ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen besteht. Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie "klimaneutral" verwendet, müsse deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung seien insoweit nicht ausreichend.
Eine Erläuterung des Begriffs "klimaneutral" war hier laut BGH insbesondere deshalb erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist. Die Irreführung sei auch wettbewerblich relevant, da die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.06.2024, I ZR 98/23