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Wegen Engagements gegen Identitäre Bewegung: Disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme gegen Oberleutnant

28.08.2024

Der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat im Berufungsverfahren die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme gegen einen Oberleutnant der Reserve bestätigt, der sich im Jahr 2015/2016 aktiv für die Identitäre Bewegung Deutschland e.V. engagiert hatte. Er wirkte beim Aufbau einer Regionalgruppe in Bayern, bei mehreren Demonstrationen und in einem Werbefilm der Identitären Bewegung mit. Damit habe er die für alle Soldaten der Bundeswehr geltende verfassungsrechtliche Treuepflicht aus § 8 Soldatengesetz verletzt.

Die Identitäre Bewegung Deutschland verfolgte laut BVerwG bereits 2015/2016 verfassungswidrige Ziele. Ihre weltanschauliche Ausrichtung sei – wie eine Sachverständigenanhörung ergeben habe – seit der Vereinsgründung im Jahr 2012 im Wesentlichen konstant. Sie sei in zweierlei Hinsicht mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar:

Sie widerspreche zum einen dem für eine Demokratie essenziellen Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger. Nach der Ideologie der Identitären Bewegung komme es auf die ethnisch-kulturelle Identität einer Person an, womit sie eine gleichheitswidrige Unterscheidung in Deutsche "erster" und "zweiter Klasse" vornimmt. Die Angehörigen der verschiedenen Ethnien sollen jeweils in ihrem Staatsgebiet leben beziehungsweise dahin zurückkehren. Nicht ethnisch Deutsche sollen in ihre Heimatländer zurückwandern ("Remigration") und durch Druck dazu gebracht werden, wofür auch die Parole "Reconquista" (Rückeroberung) verwendet wird. Dieses Konzept des so genannten Ethnopluralismus werde auch von der Partei "Die Heimat" (früher NPD) vertreten und führe zu einer Ausgrenzung von Ausländern, Migranten und ethnischen Minderheiten. Es verletzt laut BVerwG den Anspruch nicht ethnisch deutscher Staatsangehöriger auf gleichberechtigte politische Teilhabe und verstößt damit gegen ein Kernelement des grundgesetzlichen Demokratieprinzips, wie auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden habe (Urteil vom 23.01.2024, 2 BvB 1/19).

Die Identitäre Bewegung stehe zum anderen für ein identitäres Demokratieverständnis im Sinne Carl Schmitts. Parlamentarismus und Mehrparteiensystem würden diskreditiert und abgelehnt. Bei einer Identität von Volk und Vertretern könne der wahre Volkswille ohne diese Institutionen besser verwirklicht werden. Auch die Forderung nach Abschaffung von Parteien und Parlament widerspreche klar der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie verbiete es zwar nicht, das gegenwärtige repräsentative demokratische System umzugestalten oder durch eine unmittelbare plebiszitäre Demokratie zu ersetzen. Den Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlasse jedoch, wer den Parlamentarismus verächtlich macht, ohne aufzuzeigen, auf welchem anderen Weg dem Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung getragen werden soll (vgl. BVerfG, Urteil vom 23.01.2024, 2 BvB 1/19).

Das BVerwG sei auch zu der Überzeugung gelangt, dass der angeschuldigte Oberleutnant der Reserve die Programmatik der Identitären Bewegung kannte und sich ihr aus innerer Überzeugung angeschlossen hat. Der frühere Soldat habe bereits während seines Studiums mit Vertretern der Neuen Rechten Kontakt, habe in der von Götz Kubitschek – dem Mitbegründer der Identitären Bewegung – herausgegebenen Zeitschrift "Sezession" publiziert und den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Identitären Bewegung schon aus Studienzeiten gekannt. Er sei somit ein gut informierter Insider gewesen. Da er die politischen Ziele der Identitären Bewegung kannte und aufgrund seines Studiums der Staatswissenschaften zu bewerten verstand, sei bei seinem Engagement für die Identitäre Bewegung von einer zumindest bedingt vorsätzlichen verfassungswidrigen Betätigung auszugehen.

Nach der Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats rechtfertigt eine von innerer Überzeugung getragene verfassungswidrige Betätigung regelmäßig die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme. Davon abzuweichen bestand für das BVerwG kein Anlass. Die Höchstmaßnahme beinhalte bei einem inzwischen ausgeschiedenen Zeitsoldaten den Verlust noch offener Übergangsleistungen. Der ehemalige Oberleutnant habe konkret eine Übergangsbeihilfe von über 23.000 Euro eingebüßt und sei nicht mehr berechtigt, einen militärischen Dienstgrad zu führen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.04.2024, BVerwG 2 WD 9.23

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