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Waldorfschule: Durfte Schulverträge wegen Drohungen von Eltern wegen Corona-Schutzmaßnahmen kündigen

13.09.2022

Der Schulverein einer Freien Waldorfschule durfte die Schulverträge in Bezug auf Schülerinnen kündigen, deren Eltern in E-Mails wegen der von der Schule getroffenen Corona-Schutzmaßnahmen Drohungen ausgesprochen hatten. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden.

Die Töchter der Antragsteller besuchten eine Freie Waldorfschule in Göppingen. Im Zuge der Corona-Pandemie sprachen die Antragsteller mit E-Mails an Lehrkräfte und die Geschäftsleitung der Schule Drohungen, Unterstellungen und Vorwürfe im Hinblick auf die schulische Umsetzung der staatlichen Corona-Maßnahmen aus. Sie warfen der Schule unter anderem vor, "alle menschenverachtenden Maßnahmen und Verordnungen durchzusetzen", "Verbrechen gegen die Menschheit zu begehen" und hegten den Verdacht, dass es einzelnen Lehrkräften Freude bereite, "Kinder zu erniedrigen und zu belehren".

Daraufhin kündigte der Schulverein die Schulverträge für die in ihre Klassen gut integrierten Töchter der Antragsteller mit Kündigungen vom März und April 2022 zum 31.07.2022. Er stützte sich dabei auf eine Regelung der Schulvereinbarung mit den Eltern, wonach die Kündigung bei einem unzureichenden Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien mit einer Frist von drei Monaten zum Schuljahresende ausgesprochen werden kann.

Dagegen richteten sich die Eltern Ende Juli mit einem Eilantrag und dem Ziel, ihren Kindern den Schulbesuch unter Rücknahme der schulvertraglichen Kündigung mit Beginn des Schuljahres 2022/2023 wieder zu gestatten. Diesen einstweiligen Verfügungsantrag hat das erstinstanzlich zuständige Landgericht Ulm zurückgewiesen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde drangen die Antragsteller vor dem OLG Stuttgart nicht durch.

Es fehle sowohl an einem Verfügungsgrund als auch an einem Anspruch für eine einstweilige Verfügung, so das OLG. Es handele sich hier nicht um einen Eilfall, da die Eltern bis zur Beauftragung eines Rechtsanwalts rund drei Monate nach der Kündigung zugewartet hätten. Auch sei das Schulvertragsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Schulträgers wirksam beendet worden. Insbesondere sei die Kündigungsklausel des Schulvertrags wirksam und stelle keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Absatz 1 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch dar, was der Bundesgerichtshof bereits 2008 bei einer weitgehend identischen Klausel in einer Schulvereinbarung bestätigt habe. Demgegenüber könnten sich die Beschwerdeführer gerade nicht auf § 90 Absatz 6 des baden-württembergischen Schulgesetzes berufen, der einen Schulausschluss nur bei einem Fehlverhalten der Schüler und nicht der Eltern vorsehe. Diese Regelung gelte nicht für Schulen in freier Trägerschaft, da diese sich im Rahmen des grundgesetzlichen Rechts zur freien Schülerwahl nach Artikel 7 Absatz 4 Satz 1 Grundgesetz von Schülern auch wieder trennen können müssten.

Gleichwohl verkenne das OLG nicht die Interessen der Töchter an der Fortsetzung des Schulvertrages zum Erreichen ihres Ausbildungszieles. Damit abzuwägen seien jedoch die gleichermaßen gewichtigen Interessen der Privatschule an der effektiven Verwirklichung ihrer Bildungsziele. Beruhe dieses Konzept auf einer intensiven individuellen Betreuung und Förderung der Schüler, so liege es auf der Hand, dass auf Seiten der Schüler und auch deren Eltern die Bereitschaft zur Einordnung und Mitarbeit unerlässliche Voraussetzung sei. Fehle oder entfalle diese Voraussetzung, bestehe ein billigenswertes Interesse der Schule, sich vom Vertrag lösen zu können.

Somit seien die Kündigungen auch nicht als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Die Eltern könnten sich bei den Vorwürfen in ihrer E-Mail, die das Vertrauensverhältnis der Parteien nachhaltig beschädigt haben, auch nicht auf das grundgesetzliche Recht der Meinungsäußerung berufen. Entscheidend sei, dass die Kündigung nicht erfolgt sei, um einen kritischen Diskurs zu unterbinden, sondern aufgrund des in Art und Maß völlig haltlosen und unangemessenen Verhaltens der Beschwerdeführer unter anderem gegenüber den Lehrkräften, das verschwörungstheoretische Anleihen nehme und sich auf konkrete Drohungen und Unterstellungen erstrecke. Eine Entschuldigung sei gegenüber dem Schulverein bislang nicht ausgesprochen worden.

Der Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren ist laut OLG rechtskräftig. Die Eltern könnten die Wirksamkeit der Kündigung noch in einem Hauptsacheverfahren gerichtlich klären lassen.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 07.09.2022, 4 W 75/22

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