Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Vertriebstochter des größten deutschen E...

Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns: Darf zwingende Angabe einer Anrede als Frau oder Herr nicht verlangen

20.04.2022

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Berufung der Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Damit verbleibt es bei dem vom Landgericht (LG) Frankfurt am Main ausgeurteilten und ab dem 01.03.2022 bestehenden Unterlassungsanspruch der klagenden Partei nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gegen das Unternehmen. Dieses habe es zu unterlassen, so das OLG, die klagende Partei dadurch zu diskriminieren, dass bei der Nutzung von Angeboten der Beklagten zwingend eine Anrede als Frau oder Herr angegeben werden muss. Gleiches gelte für Fahrkarten, Schreiben, Rechnungen, Werbung und gespeicherte personenbezogene Daten mit der Bezeichnung als Frau oder Herr.

Die Beklagte ist Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns. Die klagende Partei besitzt eine nicht-binäre Geschlechtsidentität. Seit Oktober 2019 lautet ihr Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde "ohne Angabe". Die klagende Partei ist Inhaberin einer BahnCard der Beklagten und bemühte sich seit Oktober 2019 vergeblich, die hierfür bei der Beklagten hinterlegten Daten hinsichtlich der geschlechtlichen Anrede anzupassen. Zudem ist es auch beim Online-Fahrkartenkauf als nicht registrierte Person im System der Beklagten zwingend erforderlich, zwischen einer Anrede als Frau oder Herr auszuwählen. Die klagende Partei hält dies für diskriminierend und meint, ihr stehe ein Anspruch auf Entschädigung und Unterlassung gegen die Beklagte zu.

Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Der klagenden Partei stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung nach § 21 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit §§ 19, 3 und 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu, da die zwingende Auswahl einer Anrede als Frau oder Herr im Zusammenhang mit der BahnCard oder beim Online-Fahrkartenkauf eine Benachteiligung im Sinne des AGG darstelle. Jedoch sei der Beklagten eine Frist von einem halben Jahr einzuräumen, um den Eingriff zu beenden. Ein Zahlungsanspruch aus § 21 Absatz 2 Satz 3 AGG stehe der klagenden Partei hingegen nicht zu. Bei der gebotenen Abwägung sei das in der zögerlichen Umsetzung liegende Fehlverhalten der Beklagten im Hinblick auf den erfolgten Eingriff nicht als so schwer zu bewerten, als dass es die Zahlung einer Geldentschädigung begründe.

Das OLG hat die von der Beklagten eingelegte Berufung gemäß § 522 Absatz 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt wurde. Die klagende Partei habe die von ihr zunächst eingelegte Berufung mit Schriftsatz vom 07.12.2021 zurückgenommen. Damit verbleibe es bei dem Unterlassungstenor des LG, so das OLG. Allerdings sei der Beschluss nicht rechtskräftig. Die Beklagte könne innerhalb eines Monats Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.04.2022, 9 U 84/21, nicht rechtskräftig

Mit Freunden teilen