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Verstoß gegen Beschleunigungsgebot: Untersuchungshaft aufgehoben

28.04.2025

Ein zwischenzeitlich in erster Instanz verurteilter Angeklagter ist aus der Untersuchungshaft zu entlassen, weil das Beschleunigungsgebot nicht eingehalten wurde. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig bestimmt.

Der Angeklagte wurde auf Grundlage eines Haftbefehls am 20.09.2023 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig hin verurteilte ihn das Landgericht (LG) Braunschweig am 30.09.2024 wegen Handeltreibens mit Cannabis und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten (1 KLs 3/24). Daneben beschloss das LG die Fortdauer der Untersuchungshaft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; über die Revision des Angeklagten wird der Bundesgerichtshof zu entscheiden haben.

Die schriftlichen Urteilsgründe des LG gelangten innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist am 22.11.2024 zur Geschäftsstelle. Ein zur Geschäftsstelle gelangtes Strafurteil ist anschließend zuzustellen. Dies darf jedoch erst erfolgen, wenn auch das Hauptverhandlungsprotokoll vorliegt. Dieses wurde durch die Vorsitzende am 06.01.2025 fertiggestellt. Mit Verfügung vom selben Tag ordnete sie die Zustellung des Urteils nebst Protokollausfertigung an. Die Zustellung an den Verteidiger erfolgte schließlich am 20.01.2025.

Das LG lehnte mit Beschluss vom 01.04.2025 den (erneuten) Antrag des Angeklagten ab, den Haftbefehl wegen des Verstoßes gegen den Beschleunigungsgrundsatz aufzuheben. Die dagegen gerichtete Haftbeschwerde des Angeklagten hatte nun Erfolg: Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei vor dem Hintergrund der eingetretenen Verfahrensverzögerung nicht gerechtfertigt, entschied das OLG.

Das LG habe es versäumt, zeitnah das Protokoll fertigzustellen und dem Angeklagten beziehungsweise seinen Verteidigern die schriftlichen Urteilsgründe zuzustellen. Eine sachliche Rechtfertigung für die Verzögerung konnte das OLG nicht feststellen. Damit habe das LG gegen den in Haftsachen gebotenen, auf dem Freiheitsanspruch nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes beruhenden Beschleunigungsgrundsatz verstoßen. Dieser verlangt dem OLG zufolge, dass die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine abschließende Entscheidung über den Anklagevorwurf mit der gebotenen Schnelligkeit herbeizuführen. Kommt es aufgrund vermeidbarer Fehler der Justizbehörden zu einer erheblichen Verzögerung, stehe dies der Aufrechterhaltung des Haftbefehls regelmäßig entgegen.

Im Hinblick auf die Dauer der Untersuchungshaft des Angeklagten von rund 19 Monaten sei auch unter Berücksichtigung des staatlichen Strafanspruchs eine Fortdauer der Untersuchungshaft nicht zu rechtfertigen.

Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 24.04.2025, 1 Ws 105/25

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