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Versorgungszusage: Änderung bilanzrechtlicher Bestimmungen keine Störung der Geschäftsgrundlage

10.12.2020

Die Änderung bilanzrechtlicher Bestimmungen rechtfertigt nicht die Anpassung von Versorgungsregelungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Dies stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten in leitender Position beschäftigt. Ihm war 1976 eine Ruhegehaltszusage erteilt worden, die auch eine Hinterbliebenenversorgung umfasste. Diese enthielt eine Anpassungsregel, nach der die Versorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der maßgeblichen Tarifgehälter anzupassen sind. Die Beklagte gab die jeweiligen tariflichen Gehaltserhöhungen bis 2016 an die Klägerin als Bezieherin einer Witwenrente vereinbarungsgemäß weiter.

Im Juli 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie berufe sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und werde die Anpassungsverpflichtung aus der Ruhegehaltszusage künftig nicht mehr wie bisher erfüllen. Erhöhungen der Witwenrente würden nur noch nach § 16 Betriebsrentengesetz vorgenommen werden. Grund für die Störung der Geschäftsgrundlage seien erheblich erhöhte Rückstellungen, die sie nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes 2010 in ihrer Handelsbilanz aufgrund erheblich gestiegener Barwerte der Versorgungszusagen – auch der streitgegenständlichen Zusage – einzustellen habe.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei weiterhin uneingeschränkt an die Anpassungsregelung in der Ruhegeldzusage gebunden und verlangt von der Beklagten die Zahlung der Differenzbeträge für den Zeitraum Juli 2016 bis März 2017. Die Klage hatte letztlich Erfolg.

Zwar sei es grundsätzlich möglich, so das BAG, die Anpassung von Versorgungsregelungen auf die Störung der Geschäftsgrundlage zu stützen. Vorliegend seien die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht erfüllt. Geschäftsgrundlage seien die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, wenn der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Dem stehe die Vorstellung einer der Parteien gleich, sofern sie für die andere Partei erkennbar war und nicht von ihr beanstandet wurde.

Die Beklagte habe sich nicht auf solche Vorstellungen berufen, sondern die vermeintliche Verteuerung der Witwenrente auf Umstände gestützt, die – unverändert – Inhalt der Versorgungszusage sind. Soweit die Beklagte den Anstieg ihrer bilanziellen Rückstellungen aufgrund angeblich wegen der Änderung des Bilanzrechts gestiegener Barwerte angeführt hat, habe sie damit ebenfalls nicht durchdringen können, so das BAG. Nach der handelsrechtlichen Konzeption handele es sich bei Rückstellungen im Wesentlichen um ein Instrument der Innenfinanzierung. Dies habe zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn beziehungsweise Verlust eines Unternehmens. Allerdings berechtige ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahrs nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung. Denn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage könne nach den gesetzlichen Wertungen des Betriebsrentengesetzes einen Widerruf von Versorgungszusagen begründen. In einem solchen Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2020, 3 AZR 64/19

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