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Verbitterungsstörung: Ist kein Immunisierungsschaden

27.07.2023

Frauen, die in den Jahren 1978 und 1979 in der DDR im Rahmen der so genannten Anti-D-Immunprophylaxe durch verunreinigtes Immunglobulin eine Hepatitisinfektion erlitten haben, können Versorgungsansprüche gegen den Staat haben. Im Streit um die Höhe eines solchen Anspruchs hat jetzt das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg klargestellt, dass eine Verbitterung über behördliches Verhalten im Zusammenhang mit der Anerkennung gesundheitlicher Folgen einer Impfung selbst dann, wenn sie als so genannte Verbitterungsstörung Krankheitswert erreicht, nicht der Immunisierung zuzurechnen ist.

Mit der Anti-D-Immunprophylaxe soll die Bildung von Antikörpern im Blut einer Mutter während und nach der Schwangerschaft verhindert werden, wenn deren Blut keinen Rhesus-Faktor aufweist und das Kind rhesus-positiv ist. Denn die Antikörper können bei einer Folgeschwangerschaft zu schweren Komplikationen führen.

Die Kompensation der durch den so genannten Anti-D-Skandal eingetretenen Schäden erfolgt durch das Anti-D-Hilfegesetz (AntiDHG), das unter anderem eine monatliche Rente vorsieht. Die Höhe der Rente bemisst sich dabei nach dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS). Der in Zehnerschritten auf einer von null bis 100 reichenden Skala angegebene GdS soll die Auswirkungen der Hepatitisinfektion und der daraus resultierenden weiteren Gesundheitsstörungen abbilden.

In dem jetzt vom LSG entschiedenen Fall erhielt die Klägerin nach dem AntiDHG eine Rente nach einem GdS von 40 wegen einer Hepatitis-C-Infektion mit geringer Aktivität sowie einer Vitiligo und einer Alopezie (Weißfleckenkrankheit und Haarausfall) als weiteren Schädigungsfolgen. Sie machte geltend, dass ihr GdS zwischenzeitlich mit 60 zu bemessen sei, da nach einer neuen antiviralen Therapie – die zu einer kompletten Remission der Hepatitis-C-Infektion geführt hatte – Geruchshalluzinationen hinzugekommen seien und sich ihre Beschwerden verschlimmert sowie psychische Beeinträchtigungen verursacht hätten.

Eine behandelnde Ärztin bescheinigte der Klägerin, dass es bei dieser aufgrund von Entzündungen der Haut zu einem verstärkten Juckreiz und einem Gefühl des Unwohlseins gekommen sei, was zu einem sozialen Rückzug, Lustlosigkeit und Selbstabwertung geführt habe. Hieraus habe sich nun zusätzlich, bedingt durch die fehlende Anerkennung durch den Beklagten, eine Verbitterungsstörung entwickelt.

Die Klägerin blieb mit ihrem Begehren vor dem LSG erfolglos. Insbesondere aufgrund der Verbesserung der Hepatitis-C-Infektion sei nach den medizinischen Ermittlungen kein höherer GdS in Betracht gekommen. Soweit psychische Beeinträchtigungen der Klägerin zumindest teilweise auf die Hepatitis-C-Infektion und deren Folgen zurückgeführt werden konnten, führten diese im Ergebnis nicht zu einer Erhöhung des GdS.

Für die bei der Klägerin diagnostizierte Verbitterungsstörung als Sonderform der Verbitterungsreaktion aufgrund der – nach Ansicht der Klägerin – unberechtigten Verweigerung der Anerkennung ihrer Schädigungsfolgen durch den Beklagten fehle es schon an einer reellen Grundlage. Jedenfalls sei die Verbitterungsstörung aber nicht rechtlich ursächlich auf die vom AntiDHG erfasste Schädigung zurückzuführen. Sie resultiere nicht unmittelbar aus der Hepatitis-C-Infektion und sei auch nicht mittelbar durch diese verursacht worden. Vielmehr beruhe sie auf der eigenverantwortlichen, den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Entscheidung des Beklagten, die sich zudem als rechtmäßig erwiesen habe.

Das Nichtdurchdringen selbst mit einem berechtigten Begehren gegenüber einem Sozialleistungsträger sei ein allgemeines Lebensrisiko und nicht vom Schutzzweck des sozialen Entschädigungsrechts, damit auch nicht vom AntiDHG, umfasst, betont das LSG. Das soziale Entschädigungsrecht beinhalte keine Anspruchsgrundlage für die Entschädigung von jeglichen Folgen exekutiven Unrechts.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.05.2023, L 6 VM 3577/21

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