Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Unerlaubter Umgang mit «Künstlichen-Mine...

Unerlaubter Umgang mit «Künstlichen-Mineralfaser-Abfällen»: Über Verurteilungen muss neu verhandelt werden

10.11.2021

Die im Zusammenhang mit dem unerlaubten Umgang mit "Künstlichen-Mineralfaser-Abfällen" ergangenen Verurteilungen des Landgerichts (LG) Gießen müssen neu verhandelt werden. Dieses hatte den Angeklagten F. wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen und den Angeklagten Prof. Dr. G. wegen Beihilfe hierzu in jeweils 56 Fällen zu Gesamtgeldstrafen von 490 beziehungsweise 350 Tagessätzen verurteilt.

Gegenstand des Verfahrens ist die Behandlung von anorganischen Synthesefasern (Glaswolle, Mineralwolle oder Ähnliches), so genannte Künstlichen-Mineralfaser-Abfällen ("KMF"). Es handelt sich dabei – ähnlich wie Asbest – um lungengängige Stoffe, die als gefährlicher Abfall zu hierfür vorgesehenen Deponien verbracht werden mussten.

Der Angeklagte F. war Geschäftsführer eines Abfallentsorgungsunternehmens. Er hatte die Geschäftsidee, "KMF" durch Beimengung von Ton, Gelatine sowie Wasser zu binden und die so entstandene Masse als Produkt an Ziegeleien zur Weiterverarbeitung zu liefern. Mithilfe des Angeklagten Prof. Dr. G., Inhaber eines Lehrstuhls für Abfall- und Ressourcenmanagement, erwirkte er beim Regierungspräsidium Gießen einen Zulassungsbescheid, der es ihm gestattete, "KMF" entsprechend seiner Geschäftsidee zu verarbeiten.

Nach den Feststellungen des LG lag der Genehmigung die Einhaltung eines bestimmten Mischungsverhältnisses zugrunde, was durch monatliche Berichte gegenüber dem Regierungspräsidium nachzuweisen war. Indes war die Maschinenanlage des Angeklagten F. im Tatzeitraum technisch nicht in der Lage, ein bestimmtes Mischungsverhältnis einzuhalten. Vielmehr wies der Angeklagte F. seine Mitarbeiter an, die zerkleinerten Abfälle mit den übrigen Stoffen nach grober Mengenabschätzung zu vermischen. Der Angeklagte Prof. Dr. G. bestätigte in mehreren Berichten die Einhaltung des Mischungsverhältnisses, obwohl er eine entsprechende Überprüfung tatsächlich nicht vornahm. Ob tatsächlich "KMF" bei oder nach der Vermengung freigesetzt wurden, konnte das LG nicht feststellen.

Die Revision des Angeklagten Prof. Dr. G. hat mit einer Verfahrensrüge, mit der er die vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung mit Blick auf eine von der Dienstleistung entbundene Schöffin rügt, Erfolg. Ihn betreffend hat der BGH das Urteil des LG Gießen mit den Feststellungen aufgehoben.

Auch die Revision des Angeklagten F., der nur die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg. Zwar belegen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass sich F. des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen strafbar gemacht hat. Insbesondere musste das LG hierzu nicht feststellen, dass es zu einer konkreten Gefahr (etwa durch Freisetzung von "KMF") gekommen war. Jedoch hält die Bewertung der Strafkammer, es habe sich um 56 Einzelfälle in nicht verjährter Zeit gehandelt, laut BGH rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der BGH hat daher das Urteil des LG Gießen auch hinsichtlich des Angeklagten F. aufgehoben; die seiner Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen hat er im Wesentlichen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung hat der BGH die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG Gießen zurückverwiesen.

Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 05.08.2021, 2 StR 307/20

Mit Freunden teilen