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Trotz Inflation: Hartz-IV-Sätze weiter verfassungsgemäß
Trotz der stark gestiegenen Inflation in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 können die Regelsätze nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II – Hartz IV) weiterhin als verfassungsgemäß angesehen werden. Dies hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg entschieden.
Eine von einem Rechtsanwalt vertretene fünfköpfige Familie, die im ergänzenden Leistungsbezug nach dem SGB II steht, wandte sich an das SG und beantragte im Wege der einstweiligen Anordnung, die Regelbedarfe ab 01.01.2022 unter Berücksichtigung einer Inflationsrate von fünf Prozent ab 01.01.2022 anzupassen. Das Jobcenter hatte zuvor entsprechend den geltenden gesetzlichen Regelungen den Regelbedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft zum 01.01.2022 von 1.841 auf 1.857 Euro erhöht. Diese Erhöhung hielten die Antragsteller für zu gering und verfassungswidrig und machten geltend, dass die Familie nicht mehr in der Lage sei, die aufgrund der erheblichen Inflation in den letzten sechs Monaten stark gestiegenen Lebenshaltungskosten mit den Leistungen des Jobcenters abzudecken. Zur Begründung ihrer Auffassung, dass die Bemessung der Regelsätze ab 01.01.2022 verfassungswidrig sei, bezogen die Antragsteller sich auf ein Gutachten einer Professorin der Fachhochschule Darmstadt.
Das SG Oldenburg hat es abgelehnt, die Regelbedarfe der Familie ab 01.01.2022 wegen der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfssätze anzuheben. Die Regelsätze nach dem SGB II seien auch zum 01.01.2022 unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Vorschriften ordnungsgemäß angepasst worden. Diese Fortschreibung erfolge nach den gesetzlichen Vorschriften anhand eines Mischindexes, der sich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammensetze. Dabei sei für die Preisentwicklung nur auf die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen abzustellen.
Für 2022 sei die Steigerung der Regelbedarfssätze nach den maßgebenden gesetzlichen Vorschriften so zu berechnen, dass die Erhöhung der Preise und Nettolöhne in der Zeit von Juli 2020 bis Juni 2021 gegenüber dem Jahr 2019 zugrunde zu legen sei. Die Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte 2021 bleibe aufgrund dieses Berechnungsmodus unberücksichtigt.
Diese Art der Fortschreibung der Regelsätze sei vom Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit als verfassungsgemäß angesehen worden. Mit dieser gesetzlichen Regelung habe der Gesetzgeber einen Gestaltungs- und Bewertungsspielraum ausgenutzt, der nur beschränkt einer materiellen Kontrolle unterliege. Diese materielle Kontrolle beschränke sich darauf festzustellen, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Dieses sei gegenwärtig jedoch nicht feststellbar.
Zwar dürfe der Gesetzgeber bei der Bemessung der Regelsätze im Fall einer unvermittelt auftretenden, extremen Preissteigerung, die zu einer existenzgefährdenden Unterdeckung durch die Regelbedarfssätze führe, nicht auf die nächste reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten. Insoweit sei aber noch nicht absehbar, ob der Gesetzgeber – wie im Jahr 2021 durch die coronabedingten Sonderzahlungen – im Jahr 2022 auf einen erhöhten Bedarf der Leistungsbezieher reagieren werde.
Zudem könne aus einer durchschnittlichen Inflationsrate in den letzten sechs Monaten von 3,9 Prozent nicht zwingend auf eine Bedarfsunterdeckung der Antragsteller geschlossen werden, so das SG weiter. Maßgebend für die Berücksichtigung der Preisentwicklung im Rahmen der Bemessung der Sätze nach dem SGB II seien nämlich nur die regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen, nicht aber die allgemeine Preissteigerung. Zudem sei zu berücksichtigen, dass ein wesentlicher Teil der Inflation auf einer Steigerung von Energiekosten beruht habe. Dass gerade die Antragsteller im vorliegenden Verfahren dadurch konkret höhere Energiekosten zu tragen hätten, hätten sie jedoch nicht dargelegt. Auch sonstige konkrete Bedarfsunterdeckungen hätten die Antragsteller nicht hinreichend dargelegt.
Sozialgericht Oldenburg, Entscheidung vom 17.01.2022, S 43 AS 1/22 ER, rechtskräftig