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Trennung: Vorübergehende Wohnungszuweisung an Kinder betreuenden Ehegatten

25.07.2022

Bei getrenntlebenden Ehegatten, von denen einer Alleineigentümer der Ehewohnung und in dieser zeitweise auch beruflich tätig ist und die im Übrigen wirtschaftlich ungefähr gleichgestellt sind, kann es der Billigkeit entsprechen, die Wohnung übergangsweise an den anderen, die gemeinsamen Kinder überwiegend betreuenden Ehegatten zumindest befristet zuzuweisen.

Die Beteiligten sind Ehegatten. Die Beziehung ist zerrüttet. Aus der Ehe ist 2016 ein gemeinsames Kind hervorgegangen. Ferner lebt in dem gemeinsamen Haushalt die 2008 geborene Tochter der Antragstellerin. In der jüngeren Vergangenheit kam es zwischen den Beteiligten trennungsbedingt zu regelmäßigen Auseinandersetzungen, die auch lautstark und unter wechselseitigen Beschimpfungen bis hin zur körperlichen Auseinandersetzung und in Anwesenheit der Kinder geführt wurden. Die Beteiligten wohnen in einem circa 180 Quadratmeter großen Einfamilienhaus, das dem Antragsgegner gehört. Beide Eheleute arbeiten Vollzeit nach und erzielen Einkünfte in ungefähr gleicher Höhe. Der Antragsgegner ist beruflich darauf angewiesen, eine Alarmanlageinstallation im Wohnhaus der Beteiligten zur Fehlersimulation regelmäßig zu nutzen. Die Tochter der Antragstellerin besucht die Schule vor Ort. Der gemeinsame Sohn der Beteiligten besucht dort den Kindergarten. Im Übrigen hat er in verschiedener Hinsicht Förderbedarf, der vor Ort derzeit oder künftig erfüllt wird. Die Antragstellerin beantragt die Zuweisung der Ehewohnung für die Dauer des Getrenntlebens auf sich.

Das AG hat der Antragstellerin die Wohnung nach § 1361b Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für rund sechs Monate zugewiesen. Unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten sei dies erforderlich, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Die unbillige Härte folge hier vor allem daraus, dass das Wohl der im Haushalt lebenden Kinder beeinträchtigt ist. Denn zwischen den Beteiligten sei es in der Vergangenheit regelmäßig zu heftigen, integritätsverletzenden Auseinandersetzungen gekommen, die auch vor den Kindern ausgetragen wurden. Das psychische und seelische Wohl der Kinder sei durch die eskalierende Konfliktaustragung der Ehegatten gefährdet. Gewaltanwendungen zwischen den Ehegatten selbst führten ebenfalls in der Regel zu seelischen Schäden der Kinder, die diese Gewalt miterleben, weshalb in solchen Fällen unter Heranziehung weiterer Gesichtspunkte, insbesondere des Kindeswillens, dessen Interesse am Verbleib in der ihm vertrauten Umgebung sowie der Frage, welcher Ehegatte besser für das Kind sorgen kann, die Entscheidung zu treffen sei. Selbst andauernde Spannungen und Streitereien der Eltern könnten zu erheblichen Belastungen der Kinder führen, die eine Überlassung der Ehewohnung an einen Ehegatten rechtfertigen. Der genaue Anlass dieser Auseinandersetzung sei nicht aufzuklären und letztlich für die Entscheidung auch nicht von maßgeblicher Bedeutung.

Die Mutter sei die Hauptbezugsperson der Kinder. Diese lebten – nach jetzigem Stand – dauerhaft oder jedenfalls bis auf Weiteres bei dieser. Das Gericht folgt insofern der Auffassung des Jugendamts, wonach der Mutter aus Gründen des Kindeswohls zumindest übergangsweise die Wohnung zuzuweisen ist. Durch die Wohnungszuweisung an die Mutter könne die Gefahr einer Kindeswohlbeeinträchtigung durch das Miterleben der elterlichen Streitigkeiten ausgeschlossen werden. Zwar stelle auch die Trennung als solche und die Herausweisung des anderen Elternteils für die Kinder immer einen Einschnitt und eine Krisensituation dar. Die besondere Gefährdung eskalierender Streitigkeiten zwischen den Eltern ergebe sich indes nicht bereits zwingend aus der Trennung von Elternteilen und müsse daher möglichst abgewendet werden.

Eine anderweitige Beurteilung rechtfertige sich auch nicht vor dem Hintergrund des Alleineigentums des Antragsgegners oder des beruflichen Angewiesenseins auf die Immobilie, so das AG. Zwar sehe § 1361b Absatz 1 S. 3 BGB vor, dass das Alleineigentum eines Ehegatten an der Ehewohnung besonders zu berücksichtigen ist. Das Kindeswohl sei regelmäßig vorrangig auch gegenüber der etwaigen Eigentümerstellung des überlassungspflichtigen. Gleiches gelte für die berufliche Nutzungsmöglichkeit der Immobilie. Beide Aspekte fänden indes im Rahmen der Gesamtabwägung insofern Berücksichtigung, als der Antragstellerin die Ehewohnung nicht für die Dauer des Getrenntlebens, sondern lediglich für den tenorierten Zeitraum zugewiesen wird. Das Gericht geht davon aus, dass es der Antragstellerin zuzumuten und im Ergebnis verhältnismäßig ist, in diesem Zeitraum geeigneten Ersatzwohnraum für sich und die Kinder zu suchen und die wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Trennungssituation einzustellen. Dem Antragsgegner werde es indes zuzumuten sein, vor dem Hintergrund des Kindeswohls die Einschränkung der Nutzung seines Eigentums innerhalb der gesetzten Frist hinzunehmen.

Die dauerhafte Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin komme indes nicht in Betracht, so da AG weiter. Insofern sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass es sich bei der Immobilie um Alleineigentum des Antragsgegners handelt und dieser die Immobilie zu beruflichen Zwecken benötigt. Die ausnahmsweise Zuweisung an den Nichteigentümer-Ehepartner – wie vorliegend – sollte, wenn ein Ende des Getrenntlebens nicht abzusehen ist, in der Regel befristet werden. Angesichts der im Übrigen ungefähr gleichen finanziellen Verhältnisse erscheine es nicht verhältnismäßig, dem Antragsgegner dauerhaft die Nutzung seines Eigentums zu verwehren. Anderseits erscheine die gesetzte Frist ausreichend und auch angemessen, damit die Antragstellerin ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und sonstigen Abläufe anpassen und angemessenen Ersatzwohnraum finden kann.

Die Zuweisung einzelner Räume an den Antragsgegner allein und Zuweisung der Küche, des Kellers und der Verkehrsflächen zur gemeinsamen Nutzung mit der Antragstellerin komme ebenfalls aus Kindeswohlgründen nicht in Betracht. Denn das besondere Einvernehmen der Beteiligten, das hierfür erforderlich wäre, sei nicht ersichtlich. Die Aufteilung einer Wohnung im Verfahren gemäß § 1361 b BGB komme nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Wohnverhältnisse so großzügig bemessen sind, dass mit einem Zusammentreffen der zerstrittenen Ehepartner entweder nicht zu rechnen ist, oder wenn sich die Ehepartner wenigstens im Interesse der Kinder zu arrangieren bereit sind und ein Mindestmaß an gegenseitiger Rücksichtnahme walten lassen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Beteiligten hätten sich in immer wieder auf ihre Positionen zurückgezogen, ohne das Kindeswohl und die durch das Gericht ausführlich erläuterten Umstände in ihre Überlegungen angemessen einzubeziehen. Die Fähigkeit, die jeweils andere Seite zu Wort kommen und ausreden zu lassen, sei dabei ebenso erkennbar eingeschränkt gewesen wie die Fähigkeit, die Paar- von der Elternebene zu trennen. Vor diesem Hintergrund sei die besondere Rücksichtnahmefähigkeit, die ein Aufteilen der Wohnung erforderlich machen würde, nicht zu erwarten.

Amtsgericht Frankenthal (Pfalz), Beschluss vom 11.03.2022, 71 F 21/22, rechtskräftig

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