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Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten: Besetzung nur mit Frau kann gerechtfertigt sein

01.03.2023

In der Besetzung der Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau kann eine Benachteiligung wegen des Geschlechts liegen, wenn eine Person anderen Geschlechts auch wegen dieses anderen Geschlechts nicht in Betracht gezogen wurde. Allerdings scheidet eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dennoch aus, wenn zur Erbringung eines Teils der der Gleichstellungsbeauftragten obliegenden Tätigkeiten das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen entschieden.

Der Kläger macht die Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG geltend, da er wegen seines Geschlechts zu Unrecht benachteiligt worden sei.

Die Beklagte – eine Hochschule – schrieb eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte aus. Das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) sieht für die Besetzung dieses Amtes eine Frau vor. Der Kläger – der sich als keinem Geschlecht zugehörig ansieht – bewarb sich hierauf und beschrieb sich in seiner Bewerbung als nicht-binäre Person. Er wurde von der Hochschule für die Stellenbesetzung nicht berücksichtigt. Die Hochschule sah sich durch § 42 NHG schon formell an der Einstellung einer nicht weiblichen Bewerberin gehindert.

Das Arbeitsgericht Braunschweig hatte die Entschädigungsklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem LAG erfolglos. Der Kläger sei zwar gegenüber weiblichen Bewerberinnen ungleich behandelt worden. Die Ablehnung seiner Bewerbung auch aufgrund seines Geschlechts sei auch nicht schon deshalb nach § 8 AGG zulässig, weil § 42 NHG die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau gebietet. Diese gesetzliche Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht des Stelleninhabers führe nicht zwingend zur Rechtfertigung einer auf sie gestützten Maßnahme, so das LAG. Diese sei ihrerseits nur wirksam, wenn bezüglich des geregelten Sachverhalts unter anderem die Vorgaben nach § 8 AGG inhaltlich erfüllt sind.

Danach sei eine unterschiedliche Behandlung unter anderem wegen des Geschlechts zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Dementsprechend könne das Geschlecht nur dann im Sinne des § 8 Absatz 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung bilden, wenn die Tätigkeit ohne das Merkmal jedenfalls nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Abzustellen ist laut LAG auf die konkret vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die sich nach dem vom Arbeitgeber festgelegten Unternehmenskonzept richtet.

Dies sei vorliegend nach dem Stellen- und Aufgabenzuschnitt der Beklagten zu bejahen. Zur Erbringung eines Teils der der Gleichstellungsbeauftragten obliegenden Tätigkeiten sei das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung. Zwar könne ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Das gelte aber nach der Stellenanzeige der Beklagten nicht für einen nicht nur unerheblichen Teil der Aufgaben.

Nach der Stellenanzeige und dem beschriebenen Aufgabenbereich berate die Gleichstellungsbeauftragte unter anderem Hochschulangehörige in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben sowie in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung et cetera. Die Gleichstellungsbeauftragte diene danach insbesondere als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen, deren Hauptbetroffene Frauen sind. Insoweit sei davon auszugehen, dass Erwartungen Dritter, die auf deren Schamgefühl beruhen, ebenso wie die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit zur Authentizität der Aufgabenwahrnehmung legitim sind und ihnen kein diskriminierender Charakter innewohnt. Gleiches gelte, wenn ein Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Gruppe erforderlich ist und dieses erfordert, dass der fragliche Arbeitnehmer selbst dieser Gruppe angehört, wie dies der Fall ist, wenn Opfer von Diskriminierung beraten und betreut werden.

Vor diesem Hintergrund habe die Hochschule den Bewerberkreis für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten im Ergebnis auf Frauen beschränken können. Die Revision gegen das Urteil hat das LAG nicht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 24.02.2023, 16 Sa 671/22

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