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«Stalking»: Kann teuer werden

12.11.2021

Wer seine Nachbarn durch beharrliche Bedrohungen mit der Verletzung ihrer Gesundheit oder gar ihres Lebens zum Wegzug veranlasst, kann ihnen zum Ersatz der durch den Umzug entstehenden Schäden verpflichtet sein. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden und damit der Berufung eines Ehepaares gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts (LG) Mannheim teilweise stattgegeben. Der ehemalige Nachbar des Ehepaares wurde zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von über 44.000 Euro verurteilt.

Der heute 63 Jahre alte Mann hatte nach dem Einzug der Familie in ihr neu errichtetes Mannheimer Eigenheim im Jahr 2014 alsbald damit begonnen, diese zu schikanieren. Dies reichte von ständigen, über das sozialadäquate Maß hinausgehenden Beobachtungen vom eigenen Fenster aus über nächtliche Klopfgeräusche an der Hauswand der Familie bis hin zu wiederholten derben Beleidigungen und gipfelte in zwei konkreten Todesdrohungen im Jahr 2017. Während sich der Mann am 01.04.2017 noch darauf beschränkt hatte, dem Ehepaar damit zu drohen, eine Pistole aus seinem Haus zu holen, lief er dem Ehemann am Abend des 27.07.2017 mit einem erhobenen Beil hinterher. Nur weil der Ehemann fliehen konnte, wandte sich der Nachbar den beiden Kraftfahrzeugen des Ehepaares zu und schlug mit dem Beil auf sie ein, wodurch ein erheblicher Sachschaden entstand.

Die Familie entschloss sich daraufhin zum Umzug, bezog zunächst für einige Monate eine Mietwohnung und erwarb sodann ein neues Eigenheim. Die durch den Umzug entstandenen Kosten sowie die Nebenkosten für den Erwerb des neuen Hauses (Grunderwerbsteuer und Notarkosten), aber auch den Mindererlös bei der Veräußerung ihres verlassenen Familienheimes, nachdem sie die Käufer auf die bisherigen Verhaltensweisen des Nachbarn hingewiesen hatten, sowie die bei der Veräußerung entstandene Maklercourtage wollten die Eheleute ersetzt haben. Sie erhoben gegen ihren ehemaligen Nachbarn daher eine Schadenersatzklage über insgesamt mehr als 113.000 Euro.

Nachdem die Klage in erster Instanz erfolglos gewesen war, sprach das OLG Karlsruhe dem Paar jetzt mehr als 44.000 Euro zu. Der Nachbar habe sich durch sein Verhalten wegen Nachstellung (§ 238 Absatz 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch – StGB) und wegen Bedrohung (§ 241 StGB) strafbar gemacht und damit zugleich Schutzgesetze zugunsten des Ehepaares verletzt. Aus dieser Schutzgesetzverletzung resultiere zivilrechtlich ein Schadenersatzanspruch des Ehepaares (§ 823 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

Der Anspruch reiche aber nur soweit, wie die geltend gemachten Schäden auch vom Schutzzweck der Strafnormen erfasst sind. Einen solchen "Schutzzweckzusammenhang" hat das OLG für diejenigen Kosten, die zur Wiederherstellung des persönlichen Sicherheitsgefühls aufgewandt werden mussten, gesehen. Er hat den Beklagten daher zur Erstattung der Umzugskosten sowie der Nebenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Eigenheimes und damit zur Zahlung eines Betrags von über 44.000 Euro verurteilt. Die Wertminderung an dem verlassenen Familienheim und die im Zusammenhang mit dessen Veräußerung angefallene Maklerprovision hat das OLG demgegenüber als bloße Vermögensfolgeschäden bewertet, die außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Strafnormen liegen. Insoweit hatte die Klage daher auch weiterhin keinen Erfolg.

Eine Revision hat das OLG nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung können beide Parteien Beschwerde zum Bundesgerichtshof erheben.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 05.11.2021, 10 U 6/20, nicht rechtskräftig

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