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Städtebaulicher Vertrag: 30-jähriges Wiederkaufsrecht einer Gemeinde ist wirksam

21.12.2022

Eine Gemeinde verstößt nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung, wenn sie sich bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis ein Wiederkaufsrecht für den Fall vorbehält, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut. Dies gilt laut Bundesgerichtshof (BGH) selbst dann, wenn keine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

Der Beklagte kaufte von der Klägerin, einer Marktgemeinde in Bayern, mit notariellem Vertrag vom 21.01.1994 ein Grundstück für 59.472 DM. Dabei handelte es sich um einen marktgerechten Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren ab dem Tag des Kaufs ein bezugsfertiges Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erstellen. Für den Fall, dass das Wohngebäude nicht fristgemäß errichtet oder das Vertragsgrundstück ohne Zustimmung der Klägerin in unbebautem Zustand weiterveräußert wird, verpflichtete sich der Beklagte, das Eigentum an dem Grundstück der Klägerin auf Verlangen kosten- und lastenfrei zurück zu übertragen gegen Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises, sonstiger gemäß der Vertragsurkunde bezahlter Beträge und nachweisbarer Kosten für die zwischenzeitlich erfolgten Erschließungsmaßnahmen. Zinsen sollten von der Klägerin in diesem Fall nicht zu entrichten sein. Der Beklagte errichtete in der Folgezeit kein Wohngebäude. Mit Schreiben vom 14.11.2014 teilte ihm die Klägerin mit, dass sie von ihrem Rückübertragungsrecht Gebrauch mache.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewilligen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BGH hat das OLG-Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Nach § 11 Absatz 2 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) müssten die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs dürfe die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde – hier der Gemeinde – erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen. Die vertragliche Übernahme von Pflichten dürfe auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner führen.

Nach diesem Maßstab stelle sich das Wiederkaufsrecht der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Ausübungsfrist von 30 Jahren nicht als unangemessen dar, meint der BGH. Bauverpflichtungen wie die vorliegende dienten dem anerkennenswerten städtebaulichen Zweck, die (zeitnahe) Erreichung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sicherzustellen beziehungsweise zu fördern und Grundstücksspekulationsgeschäfte zu verhindern. Es sei daher für sich genommen nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeinde dem privaten Käufer ein im Gebiet eines Bebauungsplans gelegenes Grundstück nur gegen Übernahme einer Bebauungsverpflichtung verkauft und diese Verpflichtung durch ein Wiederkaufsrecht für den Fall des Verstoßes absichert.

Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setze auch nicht voraus, dass dem Käufer das Grundstück unterhalb des Verkehrswertes verkauft wird, zumal Gemeinden unter beihilfe- und haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten Grundstücke grundsätzlich nicht unter dem Verkehrswert veräußern dürfen. Die Pflicht, das Grundstück den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß zu bebauen, stelle für den Erwerber eines im Baugebiet gelegen Grundstücks regelmäßig keine schwerwiegende Belastung dar. Denn üblicherweise werde er ohnehin beabsichtigen, das Grundstück zu bebauen, und müsse hierbei die Vorgaben des Bebauungsplans einhalten. Die hier vereinbarte Bebauungsfrist von acht Jahren sei auch nicht unangemessen kurz, unterstreicht der BGH.

Ebenso wenig führe der vereinbarte Wiederkaufspreis zur Unangemessenheit der Regelung. Im Grundsatz sei es nicht unbillig, den Preis, zu dem verkauft worden ist, als Wiederkaufspreis zu vereinbaren, da dies der gesetzlichen Zweifelsregelung entspricht. Dass der ursprüngliche Kaufpreis nicht zu verzinsen ist, entspreche dem Umstand, dass der Käufer seinerseits nicht verpflichtet ist, gezogene Nutzungen an den Verkäufer (und Wiederkäufer) herauszugeben.

Schließlich sei die Vereinbarung des Wiederkaufsrechts auch nicht deshalb unangemessen, weil keine Regelung über die Frist zur Ausübung getroffen wurde und damit die gesetzliche Frist von 30 Jahren gilt. Denn die einschlägigen gesetzlichen Regelungen seien im Rahmen von § 11 Absatz 2 BauGB wertungsmäßig zu berücksichtigen, so der BGH. Die Länge der gesetzlichen Frist stelle sich auch nicht einseitig als Vorteil für die Gemeinde und als Nachteil für den Käufer dar. Denn sie ermögliche es der Gemeinde, im Einzelfall flexibel zu reagieren, etwa indem sie einem unverschuldet in wirtschaftliche Not geratenen Käufer die Frist für die Erfüllung der Bebauungsverpflichtung verlängert. Bei einer kürzeren Ausübungsfrist wäre die Gemeinde hingegen gezwungen, ihr Recht sofort oder zumindest zeitnah auszuüben, um es nicht zu verlieren. Alternativ müsste sie von vornherein eine kürzere Frist für die Bebauungsverpflichtung vorsehen, um nach deren Ablauf ausreichend Zeit für die Prüfung des weiteren Vorgehens zu haben. Beide Varianten wären von Nachteil für die jeweiligen Käufer.

Anders als das OLG meint, lasse sich die Unangemessenheit der in Rede stehenden Regelung nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu Ausübungsfristen für den Wiederkauf beim "Einheimischenmodell" ableiten. Durch dieses solle in Gemeinden, die eine starke Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten verzeichnen, Einheimischen der Erwerb von Bauflächen zu bezahlbaren, in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen ermöglicht werden. Dies sei nur zulässig, wenn sichergestellt wird, dass die bevorzugten Käufer die auf den Grundstücken zu errichtenden Eigenheime für einen bestimmten Zeitraum selbst nutzen und nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußern oder den Grundbesitz an Dritte vermieten. Vertragliche Regelungen, die entsprechende Bindungen begründen, schafften mithin erst die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands. Da die Bindung des Käufers beim Einheimischenmodell der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist, hänge die zulässige Bindungsdauer von dem Umfang der Verbilligung ab.

Die vorliegend zu beurteilende Regelung unterscheide sich grundlegend von einem Grundstücksverkauf im Einheimischenmodell. Dem Beklagten werde keine langfristige Bindung auferlegt, die nur mit einer angemessen hohen Subvention zu rechtfertigen wäre. Er ist beziehungsweise war laut BGH einzig verpflichtet, das Grundstück innerhalb von acht Jahren mit einem dem Bebauungsplan entsprechenden Wohngebäude zu bebauen. Hätte er diese Verpflichtung erfüllt, wäre das Wiederkaufsrecht der Klägerin erloschen beziehungsweise nicht entstanden. Bei der Bebauungsfrist habe es sich auch nicht um eine Mindestfrist gehandelt, der Beklagte sei also auch nicht für einen Zeitraum von acht Jahren "gebunden" gewesen. Er hätte das Grundstück vielmehr sofort nach Abschluss des Kaufvertrages und Erteilung einer Baugenehmigung bebauen und das Wiederkaufsrecht damit zum Erlöschen bringen können. Auch habe er, anders als regelmäßig beim Einheimischenmodell, über das Grundstück nach dessen Bebauung frei verfügen können.

Die Regelung über das Wiederkaufsrecht der Klägerin verstoße auch nicht deshalb gegen das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung, weil sie keine Ausnahmen für Härtefälle vorsieht. Eine Gemeinde sei auch bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, weil sie als öffentliche Körperschaft den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts unterliegt. Die Klägerin habe daher im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen gehabt, ob die Ausübung des Wiederkaufsrechts im Interesse der Sicherung des mit ihm verfolgten Zwecks geboten ist oder eine vermeidbare Härte darstellt. Umstände, die die Klägerin dazu veranlassen mussten, von der Ausübung des Wiederkaufsrechts abzusehen, seien vorliegend nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich; der schlichte Zeitablauf seit dem Verstreichen der Bebauungsfrist reiche hierfür schon deshalb nicht aus, weil der Beklagte auch nach Fristablauf nicht gebaut hat.

Der BGH konnte eigenen Angaben zufolge gleichwohl nicht in der Sache selbst entscheiden. Denn das OLG habe, aus seiner Sicht folgerichtig, bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Geschäftsleiter der Klägerin, der die Ausübung des Wiederkaufsrechts erklärt hatte, zur Abgabe der Erklärung befugt war. Die Wirksamkeit der Erklärung habe sich daher im Revisionsverfahren nicht abschließend beurteilen lassen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.12.2022, V ZR 144/21

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