Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Spezialisierte Rechtsanwälte: Müssen BGH...

Spezialisierte Rechtsanwälte: Müssen BGH-Datenbank zu ihrem Spezialgebiet kennen

27.02.2024

Spezialisierte Rechtsanwälte müssen sich zeitnah über die in ihrem Rechtsgebiet ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung informieren. Sie müssen dazu auch die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs (BGH) sichten und zumindest die dort veröffentlichten Leitsatzentscheidungen auf ihrem Gebiet zeitnah zur Kenntnis nehmen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Jena entschieden, wie die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) meldet.

Ein Rechtsanwalt vertrat einen Mandanten in einem Kapitalanlageverfahren, das seit 2013 lief. Zu der für das Verfahren entscheidenden Rechtsfrage fällte der BGH am 18.06.2015 ein erstes Grundsatzurteil und kurze Zeit darauf weitere. Obwohl aufgrund dieser Entscheidungen das ursprüngliche Begehren des Mandaten objektiv aussichtslos geworden war, riet der Anwalt diesem nicht, die Klage zurückzunehmen.

Der Mandant verklagte daher später seinen Rechtsanwalt. Das OLG Jena bejahte dessen Haftung. Es sei ständige Rechtsprechung, dass ein Rechtsanwalt sich über die höchstrichterliche Rechtsprechung anhand von amtlichen Sammlungen, einschlägigen Fachzeitschriften, Kommentaren, Lehrbüchern und elektronischen Datenbanken zu informieren habe, so das OLG. Der BGH habe 2010 noch offengelassen, ob angesichts der schnell voranschreitenden Digitalisierung in Zukunft strengere Anforderungen an die Kenntnis höchstrichterlicher Entscheidungen zu stellen sind. Das OLG Jena meine nun, dies sei jetzt der Fall, so die BRAK.

Inzwischen müsse ein spezialisierter Anwalt auch die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des BGH kennen. Er müsse zwar nicht alle Entscheidungen durchsehen, wohl aber die Leitsatzentscheidungen für seinen konkreten Tätigkeitsbereich zeitnah zur Kenntnis zu nehmen. Sei der Tätigkeitsbereich des Rechtsanwalts auf einen eng zugeschnittenen Rechtsbereich begrenzt, müsse er auch darüberhinausgehende Entscheidungen des zuständigen BGH-Senats lesen – dies laut OLG insbesondere, wenn er massenhaft Verfahren zu vergleichbaren Sachverhalts- und Rechtsfragenkonstellationen betreibt.

In welchen Zeitabständen ein Rechtsanwalt diese Quellen zu durchsuchen hat, hänge von einem individuellen Karenzzeitraum ab. Gemeint sei ein realistischer Toleranzrahmen, um die neue Rechtsprechung zu erfassen. Hier komme es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an. Die grundsätzliche Karenzzeit von vier bis sechs Wochen könne unter Umständen auch kürzer zu bemessen sein – jedenfalls wenn es um eine für das Mandat wichtige, aber höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärte Rechtsfrage gehe.

Im konkreten Fall hieß das laut BRAK, dass der Anwalt das Urteil spätestens Ende Juli, also circa sechs Wochen nach seinem Ergehen, anhand der BGH-Datenbank hätte zur Kenntnis nehmen müssen. Das erste Urteil hätte zudem Anlass gegeben, die weitere Entwicklung der Rechtsprechung engmaschig zu verfolgen. Da in der Zeitspanne bis Anfang September 2015 gleich mehrere Entscheidungen des BGH ergingen, hätte sich der Anwalt zwar etwas Zeit nehmen dürfen, um deren Bedeutung zu analysieren. Damit habe sich die Karenzzeit im Hinblick auf diese Urteile entsprechend verlängert. Die letzte Entscheidung datierte laut BRAK vom 03.09.2015. Eine Woche nach der Veröffentlichung des Urteils am 22.09.2015 hätte der Anwalt dieses Urteil kennen müssen. Spätestens am 30.09.2015 hätte er davon ausgehen müssen, dass das Verfahren ohne Aussicht auf Erfolg war.

Der Tatsache, dass das Verfahren aussichtlos geworden war, stehe hier auch nicht entgegen, dass sich der BGH noch nicht ausdrücklich mit der Vereinbarkeit seiner Entscheidung mit dem Unionsrecht auseinandergesetzt hatte, so das OLG. Der BGH habe – wie jedes nationale Gericht – vorrangiges EU-Recht zu beachten. Es sei daher davon auszugehen, dass er bei seinem Urteil das EU-Recht bereits berücksichtigt habe.

Auch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine letztinstanzliche Entscheidung rechtfertige die Fortführung eines nunmehr aussichtslosen Rechtsstreits grundsätzlich nicht, fasst die BRAK das OLG-Urteil zusammen. Eine solche sei schließlich kein gewöhnliches Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf bei Verstoß gegen Verfassungsrecht.

Die Revision habe das OLG Jena nicht zugelassen

Bundesrechtsanwaltskammer, PM vom 26.02.2024 zu Oberlandesgericht Jena, Urteil vom 26.01.2024, 9 U 364/18

Mit Freunden teilen