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Soldaten: Müssen sich gegen Covid-19 impfen lassen

08.07.2022

Das Bundesverteidigungsministerium durfte in einer Allgemeinen Regelung vorsehen, dass Soldaten eine Impfung gegen Covid-19 dulden müssen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) unter Verweis auf die Pflicht von Soldaten entschieden, sich jederzeit einsatzfähig zu erhalten. Dem diene die Impfung, die auch bei der mittlerweile vorherrschenden Omikron-Variante des Virus das Risiko der Infektion und Transmission reduziere. Allerdings müsse das Verteidigungsministerium die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung evaluieren und überwachen.

Zwei Luftwaffenoffiziere hatten sich mit Anträgen nach der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) gegen die Impfpflicht gewandt, die das Bundesverteidigungsministerium in seiner Allgemeinen Regelung vom 24.11.2021 aufgestellt hat. Die Antragsteller meinen, die Impfung mit den von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden außer Verhältnis zu deren Nutzen.

Das BVerwG hat die Allgemeine Regelung zur Durchführung der Covid-19-Impfung als anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Absatz 3 Satz 1 WBO angesehen, weil sie für die ausführenden Truppenärzte und Disziplinarvorgesetzten bindend ist und unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsposition der betroffenen Soldaten hat. Es hat darum die Einwände gegen die Covid-19-Impfung an vier Verhandlungstagen erörtert und inhaltlich überprüft. Dabei sind neben Sachverständigen der Antragsteller und der Bundeswehr auch Fachleute des Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts angehört worden.

Im Ergebnis habe sich die Allgemeine Regelung als formell und materiell rechtmäßig erwiesen, so das BVerwG. Das Verteidigungsministerium habe sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen, insbesondere die Soldatenvertretungen beteiligt. Es sei im Rahmen der ihm zustehenden Weisungsbefugnis nach § 10 Absatz 4 Soldatengesetz (SG) berechtigt gewesen, nach pflichtgemäßem Ermessen den Kreis der notwendigen Schutzimpfungen durch Verwaltungsvorschrift festzulegen. Denn § 17a SG regele ausdrücklich, dass jeder Soldat verpflichtet ist, sich im Interesse der militärischen Auftragserfüllung gesund zu erhalten und dabei ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden.

Dies habe seinen Grund darin, dass der militärische Dienst seit jeher durch die Zusammenarbeit in engen Räumen (Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen), durch Übungen und Einsätze in besonderen naturräumlichen Gefährdungslagen und durch das Gemeinschaftsleben in Kasernen das besondere Risiko der Verbreitung übertragbarer Krankheiten mit sich bringt, so das BVerwG. Das Gesetz erwarte, dass jeder Soldat durch die Duldung von Schutzimpfungen zu seiner persönlichen Einsatzfähigkeit und damit zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr insgesamt beiträgt. Die Erhaltung der eigenen Einsatzfähigkeit sei eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten.

Die gesetzliche Ausgestaltung der Duldungspflicht genüge auch dem rechtsstaatlichen Gebot, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Denn er habe die Reichweite des Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in allgemeiner Weise hinreichend klar bestimmt und auf zumutbare Eingriffe begrenzt. Die genaue Festlegung der im Einzelnen hinzunehmenden Impfungen und zu verwendenden Impfstoffe habe er dem Dienstherrn überlassen können, weil die Soldaten abhängig von ihrem Einsatzort im In- und Ausland unterschiedliche Impfungen benötigen. Außerdem erforderten etwa das Auftreten neuer Krankheitserreger oder das Bekanntwerden neuer Nebenwirkungen von Impfstoffen eine flexible und schnelle Entscheidungsfindung.

Das Bundesverteidigungsministerium habe bei der Einführung der Duldungspflicht im November 2021 das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Damals habe die Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus eine erhebliche Gefährlichkeit aufgewiesen. Die vorhandenen Impfstoffe hätten zwar das Risiko einer Infektion und Übertragung nur verringern können, aber die Gefahr schwerer Verläufe um 90 Prozent reduzieren können. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht das Vorhandensein einer sich verschärfenden pandemischen Lage im Winter 2021 bestätigt und ausgeführt, dass nach damaliger überwiegender fachlicher Einschätzung von einer erheblichen Reduzierung der Infektions- und Transmissionsgefahr durch die Covid-19-Impfung ausgegangen wurde.

Das BVerwG hat sich nach der von ihm durchgeführten Sachverständigenanhörung auch der Bewertung angeschlossen, dass die Impfung gegenüber der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante eine noch relevante Schutzwirkung im Sinne einer Verringerung der Infektion und Transmission bewirkt. Außerdem reduziere sie vor allem nach einer Auffrischungsimpfung das Risiko eines schweren Verlaufs über längere Zeiträume, sodass der positive Effekt der Impfung das mit ihr verbundene Risiko weiter deutlich überwiegt. Dies gelte nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts auch für die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen, die den überwiegenden Anteil des militärischen Personals ausmachen. Das Bundesverteidigungsministerium sei berechtigt gewesen, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts zurückzugreifen, auch wenn diese Fachbehörde die Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen entgegen § 13 Absatz 5 Infektionsschutzgesetz bislang nicht erhalten hat. Durch die zahlreichen Einwendungen der Antragsteller sei die Überzeugungskraft der amtlichen Auskünfte der beiden Fachbehörden nicht durchgreifend erschüttert worden.

Allerdings sei das Verteidigungsministerium verpflichtet, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Daueranordnungen müssten stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Das Nachlassen der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die Verringerung der Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe seien Umstände, die eine erneute Ermessensentscheidung für die Anordnung weiterer Auffrischungsimpfungen angezeigt erscheinen lassen. Außerdem sei eine Evaluierung der Entscheidung dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss im Schlichtungsverfahren zugesagt worden.

Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 07.07.2022, BVerwG 1 WB 2.22 und BVerwG 1 WB 5.22

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