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Selbstbeschaffte Echthaarperücke: Krankenkasse muss Kosten erstatten

11.08.2020

Führt eine Chemotherapie bei einer Frau zu einem vorübergehenden vollständigen Haarausfall, so hat sie einen Anspruch auf Versorgung mit einer Echthaarperücke. Die gesetzliche Krankenkasse dürfe sie nicht darauf verweisen, eine Kunsthaarperücke sei ausreichend, meint das Sozialgericht (SG) Mannheim. Denn eine solche könne den Verlust des Haupthaares, der für eine Frau entstellend wirke, nicht ausreichend verschleiern.

Die geborene Klägerin litt nach einem diagnostizierten Mammakarzinom, das mit einer Chemotherapie behandelt wurde, unter einem vorübergehenden vollständigen Haarausfall. Anfang 2018 beantragte sie bei der beklagten Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung und des Kostenvoranschlages eines Perückenstudios für eine Echthaarperücke in Höhe von 1.200 Euro die Übernahme der ihr entstehenden Aufwendungen. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, wonach eine Echthaarperücke das Maß des Notwendigen übersteige. Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin abzüglich des von der Klägerin zu tragenden Eigenanteils 385 Euro zur Versorgung mit einer Kunsthaarperücke. Gleichwohl beschaffte diese sich die Echthaarperücke.

Das SG Mannheim gab der Klägerin Recht. Die Beklagte sei für ihre Versorgung mit einer Echthaarperücke leistungspflichtig, weil dieses Hilfsmittel erforderlich und wirtschaftlich sei sowie das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Bei einer Perücke handelt es sich insbesondere um keinen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Ein totaler Haarverlust stelle bei einer Frau eine Behinderung dar. Die Klägerin sei wegen ihrer krankheitsbedingten vorübergehenden Kahlköpfigkeit in ihrer körperlichen Funktion beeinträchtigt. Die Krankheit habe bei Frauen eine entstellende Wirkung, die zwar nicht zum Verlust oder zur Störung einer motorischen oder geistigen Funktion führt, es ihnen aber erschwert oder gar unmöglich macht, sich frei und unbefangen unter den Mitmenschen zu bewegen. Eine kahlköpfige Frau ziehe naturgemäß ständig alle Blicke auf sich und werde zum Objekt der Neugier. Dies habe in der Regel zur Folge, dass sich die Betroffene aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht. Ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei damit beeinträchtigt.

Die Klägerin könne nicht auf eine Versorgung mit einer Kunsthaarperücke verwiesen werden. Nur eine Echthaarperücke weise eine Qualität auf, die den Verlust des natürlichen Haupthaares für unbefangene Beobachtende nicht sogleich erkennen lässt.

Sozialgericht Mannheim, Gerichtsbescheid vom 14.05.2020, S 7 KR 1830/18, rechtskräftig

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