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Schweizer Erwerber im Dieselskandal: "Sammelklageninkasso" ist zulässig

20.06.2022

Ein Inkassodienstleister kann sich wirksam Schadenersatzforderungen abtreten lassen, deren sich Schweizer Erwerber von Kraftfahrzeugen gegen die beklagte Volkswagen AG berühmen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Einer dieser Erwerber, ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz, kaufte im Februar 2015 in der Schweiz von einer Schweizer Vertragshändlerin der beklagten Fahrzeugherstellerin einen VW Tiguan mit Erstzulassung 2015. In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut, der vom so genannten Dieselskandal betroffen ist. In der Schweiz erließ das Bundesamt für Straßen im Oktober 2015 ein vorläufiges Zulassungsverbot für bestimmte Fahrzeuge mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189, von dem das Fahrzeug des Zedenten nicht betroffen war. Der Erwerber ließ Ende 2016 ein Software-Update aufspielen.

Am 18.12.2017 trat der Erwerber seine Forderungen gegen die Beklagte an die Klägerin, eine nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) registrierte Inkassodienstleisterin in der Rechtsform einer in Deutschland ansässigen GmbH, treuhänderisch zur Einziehung ab. Die Klägerin sollte die Forderung zunächst außergerichtlich geltend machen. Im Fall des Scheiterns der außergerichtlichen Geltendmachung sollte die Klägerin die Ansprüche im eigenen Namen gerichtlich geltend machen, wobei ihr im Erfolgsfall eine Provision zukommen sollte. Der Erwerber sollte für etwaige Kosten der Rechtsverfolgung nicht aufkommen müssen.

Die Klägerin, die sich in über 2.000 Fällen in entsprechender Weise Forderungen von Schweizer Erwerbern treuhänderisch zur Einziehung hat abtreten lassen, hat beim Landgericht (LG) 2019 eine Klage erhoben, in der sie sämtliche Forderungen zum Gegenstand von Feststellungsbegehren gemacht hat. Das LG hat das Verfahren die Ansprüche des einen Erwerbers betreffend abgetrennt. Auf richterlichen Hinweis hat die Klägerin sodann ihren Antrag umgestellt und die Beklagte auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrags, mindestens jedoch 5.394 CHF (15 Prozent des Kaufpreises als Minderwert) zuzüglich Zinsen ab Übergabe des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin fehle für die Geltendmachung der Schadenersatzforderung des Erwerbers die Aktivlegitimation. Die Klägerin habe für die Geltendmachung der Forderung, die Schweizer Recht unterfalle, einer Erlaubnis nicht nur – wie vorhanden – nach §§ 2 Absatz 2 Satz 1, 3, 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, sondern nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedurft, über die sie nicht verfüge. Folge des Fehlens der Erlaubnis nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 RDG sei, dass die Klägerin durch ihr Tätigwerden gegen das RDG verstoßen habe. Dieser Verstoß führe nicht nur zur Nichtigkeit des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Dienstleistungsvertrags mit dem Zedenten, sondern auch zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung.

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH hat anhand einer am Wortlaut, an der Systematik und an Sinn und Zweck des RDG sowie an der Gesetzgebungsgeschichte orientierten Auslegung klargestellt, dass ein nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierter Inkassodienstleister auch dann keiner weiteren Erlaubnis nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 RDG bedarf, wenn er eine ihm treuhänderisch übertragene und einem ausländischen Sachrecht unterfallende Forderung außergerichtlich geltend macht. Dabei hat der BGH die Entscheidungen des VIII. Zivilsenats vom 27.11.2019 (VIII ZR 285/18) und des II. Zivilsenats vom 13.07.2021 (II ZR 84/20) berücksichtigt. Darüber hinaus hat er entschieden, dass das Abhängigmachen der Tätigkeit der Klägerin von einer zusätzlichen Erlaubnis nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 RDG zur Erreichung des Schutzzwecks des RDG nicht erforderlich ist.

Weil sich schon deshalb die Auffassung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft erwies, der Klägerin fehle wegen einer aus einem Verstoß gegen das RDG folgenden Nichtigkeit der Abtretung die Aktivlegitimation, hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses werde sich nunmehr mit der inhaltlichen Berechtigung der Forderung des Zedenten zu befassen haben.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.06.2022, VIa ZR 418/21

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